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3:0-Niederlage gegen Manchester City: Das Aus in der Königsklasse droht: Wie die Bayern-Bosse sich gnadenlos verzockt haben

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Der FC Bayern hat gegen Manchester City eine Abreibung kassiert, das Aus in der Königsklasse wird sich kaum abwenden lassen. Mit Blick auf die aktuellen Saisonziele haben sich die Bayern-Bosse gnadenlos verkalkuliert.

Da stand Thomas Tuchel wie der berühmte begossene Pudel im Regen von Manchester und musste Rede und Antwort stehen. Seine Mannschaft hatte gerade 0:3 gegen Manchester City verloren, das Aus in der Champions League ist mit großer Wahrscheinlichkeit besiegelt. Nur die allergrößten Optimisten und der Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn (“Ich habe im Fußball schon Unglaubliches erlebt”) glauben noch an die sehr kleine Chance, das Scheitern im Rückspiel des Viertelfinales abwenden zu können. 

Tuchel war gerade aus der Kabine zurück auf den Rasen des Stadions geeilt, wo ihn die Amazon-Experten-Runde um Moderator Sebastian Hellmann freundlich und mit viel therapeutischem Mitgefühl begrüßte. Weder Hellmann noch die Experten Josefine Henning, Mario Gomez und Matthias Sammer wollten dem vor knapp drei Wochen installierten Trainer einen Vorwurf machen. Wie soll man einer Mannschaft auch in so kurzer Zeit die Mängel und Fehler austreiben, die sich in den vergangenen anderthalb Jahren eingeschlichen haben?PAID IV Arzt FC Bayern 12.18

Thomas Tuchel macht seinem Team eine Liebeserklärung

Der sichtlich mitgenommene Tuchel nahm das ihm entgegengebrachte Verständnis gern an und ließ sich sogar zu einer Liebeserklärung an sein Team hinreißen. “Ich weigere mich, da irgendwie die Leistung schlechtzureden. Ich habe eine sehr, sehr gute Leistung gesehen bis zur 70. Minute. Ich bin hochzufrieden”, sagte Tuchel. “Da war absolut mehr drin, wir hätten viel mehr verdient.” Er sei sogar “schockverliebt” in seine Mannschaft. Es habe Spaß gemacht, sie zu coachen, bemerkte er.

Es waren warme und emotionale Worte, die ein wenig den Schmerz lindern sollten angesichts des Schocks, in den die Niederlage den ganzen Verein versetzt hatte. Denn nach dem katastrophalen Patzer von Verteidiger Dayot Upamecano, der in der 70. Minute zum 0:2 für City geführt hatte, war das Team fast auseinander gefallen. Der Kopfballtreffer durch Bernardo Silva, eingeleitet von Jack Grealish und per Flanke vorbereitet von Erling Haaland, war der entscheidende Wirkungstreffer, von dem sich die Bayern nicht mehr erholten. Sie kassierten noch das 0:3 durch Haaland, aber da hatten die Bayern längst aufgehört, vernünftig Fußball zu spielen. Sie hatten Glück, dass die Niederlage nicht mit 0:4 oder 0:5 in einer Vollkatastrophe endete.

Dennoch lag Tuchel mit seiner Analyse richtig. Einerseits. Die Bayern waren über 70 Minuten das bessere Team. Besonders nach der Wiederanpfiff drängten sie City tief in die eigene Hälfte. Zu diesem Zeitpunkt vermittelten sie den Eindruck, als sei es eine Frage der Zeit, wann sie den Ausgleich erzielen. Das 0:1 war durch einen Schuss Rodris in den Winkel gefallen (so ein Tor lässt sich manchmal nicht verhindern). Die Leistung bis zum Bruch lud später geradezu dazu ein, über einen anderen Ausgang des Spiels zu spekulieren.Trappattoni Wutrede 09.28

Tuchels Hypothek ist noch größer geworden

Andererseits verschlimmert jedes hätte, wenn und aber in der Regel nur die Enttäuschung über eine Niederlage. Denn zur ganzen Wahrheit gehört: Trotz seiner Liebeserklärung an die Mannschaft weiß Tuchel natürlich, dass er ab sofort eine gewaltige Hypothek mit sich herumschleppt. Er muss nun in Zukunft beweisen, dass er der richtige Mann für die Bayern ist. Die Hypothek wird zusätzlich belastet durch die Tatsache, dass sich die Bayern-Bosse Hasan Salihamidzic (Sportvorstand) und Oliver Kahn (Vorstandsvorsitzender) mit dem Trainertausch von Nagelsmann zu Tuchel im Hinblick auf die aktuelle Saison gnadenlos verzockt haben. Ihr Plan, die Saison trotz der offensichtlichen Fehlentwicklungen unter Nagelsmann zu retten, ist gescheitert, wenn im Rückspiel nicht noch ein Wunder geschieht. Das gesamte Gebilde FC Bayern steht im Moment ein wenig zerrüttet da. 

Salihamidzic und Kahn haben darauf gesetzt, dass Tuchel innerhalb kürzester Zeit die Schwächen der Mannschaft beheben kann, die wie unter dem Brennglas im Spiel gegen Manchester City allesamt zu Tage traten. Und für die sie teilweise mitverantwortlich sind. Nur mit Eric Maxim Choupo-Moting als echten Mittelstürmer in die Saison zu gehen, hat sich als Fehleinschätzung erwiesen. Dass der gebürtige Hamburger gegen Manchester City ausfiel und Gnabry als Neuner auflief, funktionierte nicht. Gnabry verbreitete kaum Torgefahr, der als Spitzenkraft verpflichtete Sadio Mané ist ebenfalls kein echter Mittelstürmer.

Hinzu kommen die Abschlussschwäche und die Patzer in der Defensive, die sich wie ein roter Faden seit langem durch das Bayern-Spiel ziehen. Dass die Mannschaft unter Nagelsmann in den Spielen gegen Paris Saint-Germain so eindrucksvoll und defensiv sicher auftrat, zeigt ihr Potenzial. Dauerhaft abrufen kann sie es nicht. Das bewies die Niederlage im Pokal gegen den SC Freiburg (Abschlussschwäche!). Die Liste der Mängel ist lang. Das ist das Erbe der Ära Nagelsmann. 

Für die aktuelle Lage kann Tuchel nichts

Die Bayern machten sich die eigene Dominanz durch mangelnde Chancenverwertung und individuelle Patzer kaputt. Dass sie nach dem 0:2 nur wenig Gegenwehr zeigten, macht zudem deutlich, wie verunsichert das Team ist und dass es immer wieder in verhängnisvolle Muster zurückfällt. Tuchel merkte zurecht an, dass einigen Spielern schlicht die “Form” fehle. 

Tuchel ist jetzt in der Situation, dass er als Verantwortlicher eine verkorkste Saison zu Ende bringen muss, für die er nur sehr wenig kann. Die Wahrscheinlichkeit, in der Champions League in das Halbfinale einzuziehen, ist äußerst gering, auch wenn Tuchel Zweckoptimismus für das Rückspiel versprühte (“Abgeschenkt wird nix”). Der mögliche Gewinn des elften Meistertitels in Folge wird die Bayern ebenfalls nicht trösten. Es wäre nur Schadensbegrenzung angesichts der eigenen Ansprüche.

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