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Tür an Tür: Katzenjammer + Polizei = Lovestory

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In der Serie “Tür an Tür” erzählen Menschen von ihren Nachbarn. Hier erinnert sich stern-Leser Tork Poettschke, wie ein Wohnungsaufbruch in einer Liebesgeschichte endete.

Sommer 2013. Ich wohnte mitten in Dortmund, am berühmten Borsigplatz. Erdgeschosswohnung, 45 Quadratmeter. Mein Lebensgefährte war mein Kater Rambo. Er lief frei herum, auch draußen. So lernte ich Anna kennen. Anna liebte Tiere und wohnte im Haus gegenüber, ebenfalls im Erdgeschoss. Ich war Mitte 30 und freier Journalist, Anna Studentin. Über Rambo kamen wir ins Gespräch. Und wurden so etwas wie gute Bekannte. Manchmal kam Anna rüber zu mir, um Rambo zu streicheln. Wir tranken ein Glas, quatschten ein bisschen, und dann ging jeder wieder seiner Wege. Bis zu diesem Zwischenfall.

Aufmerksame Nachbarn wie Anna wünscht sich jeder

Im Oktober musste ich für drei Tage nach München fahren. Zu einem Seminar der Gewerkschaft Verdi. Ich versorgte Rambo mit Futter und Wasser und ließ ihn allein. Er kannte das schon, und als selbstständiger Freigänger lebte er ohnehin sein eigenes Leben. Was ich nicht bedacht hatte: Ich hatte mich auch bereiterklärt, ein paar Tage für Pamuk zu sorgen, die Katze meiner Mutter. Ebenfalls ein Kater. Sie schienen sich gut zu verstehen. Jedenfalls dachte ich das. Ich sollte mich täuschen.

Nachbarn Fernsehen

Und noch etwas hatte ich nicht so recht bedacht: Zum Beispiel, dass in München gerade Oktoberfest war. Mein Plan war, mir irgendwo in der Nähe des Seminars ein günstiges Hotel zu suchen. Und, oh Wunder: Alle, aber wirklich alle einigermaßen erschwinglichen Hotels waren zur Wiesn-Zeit voll belegt. Es gab kein Quartier für mich. Tagsüber absolvierte ich also mein Seminar, nachts versuchte ich wie ein Obdachloser irgendwo ein bisschen Schlaf zu bekommen. Sogar im Bahnhof suchte ich Unterschlupf. Als ich nach Dortmund zurückkehrte, war ich vollkommen fertig. Total übernächtigt schloss ich meine Wohnungstür auf. Besser: Ich wollte sie aufschließen. Aber mein Schlüssel passte nicht mehr. Stattdessen fand ich eine Nachricht der Polizei. Die hatte meine Wohnung aufgebrochen, das Schloss ausgetauscht und verlangte von mir, mich auf der Wache zu melden.

Die Katzen verstanden sich doch nicht ganz so gut

Ich also zur Wache. Da erklärte mir ein freundlicher Beamter, meine Nachbarin Anna habe sich Sorgen gemacht, weil sie drei Tage nichts von mir gehört und gesehen habe. Aus meiner Wohnung habe sie zwei Katzen gehört, die einen fürchterlichen Radau veranstaltet hätten. Offenbar hatten sich die Tiere doch nicht so gut verstanden. Da hatte Anna die Polizei gerufen. 

Man habe also, so der Beamte, die Wohnungstür aufgebrochen, mich nicht angetroffen und die Kater ins Tierheim gebracht. Ich muss den Polizisten ziemlich dämlich angeschaut haben. Den Satz, den er mir dann sagte, werde ich nie vergessen: “Seien Sie mal froh, dass sich im Großstadt-Dschungel jemand um sie gekümmert und sich Sorgen gemacht hat.”

Aus Anna und mir wurde ein Liebespaar

Da hatte er recht: Es rührte mich tatsächlich, dass Anna sich so viele Gedanken um mich (und die Katzen) gemacht hatte. Die ganze Aktion mit neuem Türschloss und dem Tierheim kostete mich, wenn ich mich recht erinnere, etwa 200 Euro. Aber die Sache hatte auch ihr Gutes: Anna und ich kamen uns nach diesem Vorfall näher. Wir wurden ein Paar. Längst haben sich unsere Wege wieder getrennt, aber es ist noch immer schön an damals zu denken: Ich hatte die Tür nicht geöffnet, und die Katzen hatten gefaucht. Anna zählte eins und eins zusammen, und erwog die Möglichkeit, dass mir etwas zugestoßen war. Es stimmte einfach, was mir der Polizist gesagt hatte: Seien Sie mal froh, dass sich im Großstadt-Dschungel jemand um sie kümmert und sich Sorgen macht.

Alle Folgen der Serie “Tür an Tür” finden Sie hier.

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