Für die Planung der Hochzeitsfeier einer Senatorin wird ausgerechnet eine Agentur ausgewählt, die später eine Werbekampagne für die Gesundheitsverwaltung gestaltet. Das wirft Fragen auf.
Berlins frühere Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) wirkt kämpferisch, als sie den Gerichtssaal betritt. Entschieden weist sie gegen sie erhobene Korruptionsvorwürfe im Kontext mit ihrer Hochzeit im Prozess vor dem Landgericht Berlin zurück. “Ich hätte niemals mein Amt beschädigt und meine berufliche Reputation aufs Spiel gesetzt, nur um kostenlos Dienstleistungen zu erhalten”, erklärt die 57-Jährige zum Prozessauftakt. “Die Vorwürfe treffen mich tief.”
Knapp 40 Minuten trägt Kalayci eine Erklärung vor. Später steht sie der zuständigen Wirtschaftsstrafkammer Rede und Antwort. Auch der mitangeklagte Unternehmer weist die Vorwürfe zurück. “Ich habe zu keinem Zeitpunkt versucht, die Entscheidung von Frau Kalayci zu beeinflussen”, lässt der 59-Jährige vor Gericht von seinem Verteidiger verlesen.
Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft
Die Berliner Staatsanwaltschaft wirft Kalayci Bestechlichkeit vor. Mitangeklagt ist der Inhaber einer Werbeagentur wegen Bestechung. Die Anklage geht von Korruption aus, weil dessen Agentur die Hochzeit der Ex-Senatorin im Jahr 2019 geplant und organisiert haben soll, ohne dafür entlohnt worden zu sein.
Laut Anklage wurden die Kosten von rund 11.240 Euro der Ex-Senatorin nie in Rechnung gestellt. Kalayci habe dies gewusst oder zumindest billigend in Kauf genommen, so der Vorwurf. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft musste Kalayci nicht bezahlen, weil sich der Agentur-Chef davon versprach, dass er von der Gesundheitsverwaltung den Auftrag für eine Werbekampagne zur Gewinnung von Nachwuchs für die Pflege erhält.
Die Ex-Senatorin habe die Intention des Mitangeklagten erkannt oder zumindest billigend in Kauf genommen, so Staatsanwalt Dorian Dorschfeld. “Gleichwohl trug sie nicht dafür Sorge, dass die Agentur ihre Leistungen im Zusammenhang mit der Hochzeitsfeier in Rechnung stellt und eine Bezahlung für diese erhielt.”
Die Ex-Senatorin habe die Agentur des 59-Jährigen ausgewählt und die Bewilligung von Zuwendungen der Senatsgesundheitsverwaltung befördert. Aufgrund dessen seien 267.830 Euro an die Agentur geflossen, so die Anklage. Die Ex-Senatorin habe ihr Ermessen in diesem Zusammenhang nicht fehlerfrei ausgeübt. Der geschätzte Gewinn für die Agentur und dessen Chef liege bei rund 17.000 Euro.
Kalayci sehr wütend auf ihren Mann
Kalayci bestritt den unterstellten Kontext zwischen ihrer Hochzeitsfeier und dem Auftrag für die Werbekampagne. Von dem Tatvorwurf gegen sie habe sie erstmals im Rahmen der Durchsuchung ihrer Wohnung am 6. April 2022 erfahren. Bis dahin sei sie davon ausgegangen, dass die erbrachten Leistungen für die Hochzeit längst abgerechnet und bezahlt worden seien.
Laut Kalayci war ihr Mann für die Organisation der Hochzeitsfeier im September 2019 zuständig. “Ich bin sehr wütend darüber, dass es meinem Mann nicht aufgefallen ist und er mich nicht darüber informiert hat, dass von der Agentur keine Rechnung kam”, so die 57-Jährige. “Es lag mir immer fern, irgendwelche persönlichen Vorteile bei der Ausübung meiner dienstlichen Tätigkeit zu erhalten.”
Auf Ausschreibung verzichtet
Sie sei damals beruflich sehr eingespannt gewesen, erklärte Kalayci. Dies habe sich durch die Corona-Pandemie Ende Januar 2022 verstärkt.
Die Agentur des Mitangeklagten war der Ex-Senatorin nach eigenen Angaben durch ein Projekt für duale Ausbildungsberufe bekannt. Arbeit und Konzept hätten sie überzeugt. “Ich hatte deshalb eine klare Präferenz für die Konzeption und Durchführung des Projekts durch diese Agentur”, so Kalayci.
Die Zeit habe gedrängt, weil eine von der Bundesregierung initiierte neue Ausbildung im April 2020 starten sollte. Darum habe sie auf eine Ausschreibung verzichtet. Aufgrund eines Versehens in der Verwaltung sei das Geld aber doch so verbucht worden, dass in diesem Fall eine Ausschreibung nötig gewesen wäre.
Auch der Agentur-Chef wies die Vorwürfe zurück. Für die Hochzeit sei vor allem ein früherer Mitarbeiter zuständig gewesen, ließ der 59-Jährige über seinen Anwalt erklären. Dieser habe “alles an sich gerissen und nicht zu Ende gebracht”. Das habe in der Agentur für Unmut gesorgt. Dann sei der Mann plötzlich aus der Firma ausgeschieden.
Prozesstermine bis Ende April
Die zuständige Wirtschaftskammer hat für den Prozess zunächst insgesamt zwölf Verhandlungstage bis zum 28. April eingeplant. Der Prozess soll am morgigen Freitag fortgesetzt werden. Erste Zeugen sind bislang ab dem 24. Januar geplant.