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Inhaftierter Rap-Mogul: Die Entstehung eines “Bad Boys”: Neue Doku zeigt den Fall P. Diddy

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Erstmals seit der Inhaftierung von Sean Combs widmet sich eine Doku den Abgründen im Fall P. Diddy. Derweil gibt es eine neue Anzeige wegen Vergewaltigung gegen den Musiker.

Manchmal seien sie während der Hauspartys in ein Zimmer gestolpert und hätten Menschen beim Sex gesehen, sagt Sean “Diddy” Combs’ Kindheitsfreund Tim Patterson in einem Ton als würde er über die Einkaufliste für den Supermarkt sprechen. Ein ganz normaler Samstagabend sei das in Diddys Elternhaus gewesen, diese “Janice Combs Partys”.

Abende, an denen in rauen Mengen Alkohol und Drogen konsumiert worden seien. An denen Zuhälter und Kriminelle anwesend gewesen seien. An denen Exzess und Freizügigkeit zelebriert worden sei. Keine zehn Jahre kann Diddy da alt gewesen sein.

P. Diddy: eine Jugend im Jointrauch

Patterson und seine Mutter lebten in den Siebzigern bei Janice und Sean Combs in deren Haus in Mount Vernon, etwa 45 U-Bahn-Minuten nördlich von Manhattan. Nach dem gewaltsamen Tod von Diddys Vater Melvin, der Berichten zufolge in organisierte Drogengeschäfte verwickelt war, waren sie dort eingezogen. Diddys Mutter Janice habe durchaus etwas Geld gehabt und Partys geschmissen, bei denen die letzten Gestalten von der Straße gekommen seien, berichtet Patterson nun. Eine Jugend im Jointrauch.PAID P. Diddy Die Party ist vorbei 15.13

So beginnt die Dokumentation “Diddy: The Making of a Bad Boy” des US-Streamers Peacock, der ersten von gleich mehreren Dokus zum Aufstieg und Fall des 55 Jahre alten Hip-Hop-Moguls. Diddy sitzt derzeit wegen des Verdachts auf Sexhandel, Prostitution und Organisierte Kriminalität in einem New Yorker Gefängnis und wartet auf seinen Prozess Anfang Mai.

Trailer

Wie wurde Sean Combs zu Puff Daddy zu P. Diddy, zu dem Mann, gegen den mehr als 30 Klagen aus den vergangenen drei Jahrzehnten vorliegen?

Die Doku-MacherInnen beantworten diese Frage mit einem psychologischen Porträt, einer “Villain Origin Story”. “Monster werden gemacht”, sagt Kindheitsfreund Patterson. Er könne Combs mutmaßliche Taten nicht verurteilen. Diddy sei “monsterisiert” worden, verdorben durch sein Umfeld. 

“Rich Kid” in Harlem

Und so berichtet Patterson weiter. Diddy sei das “Rich Kid” im New Yorker Stadtteil Harlem gewesen, das Kind, das auf eine Privatschule ging und deswegen gemobbt wurde. P. Diddy Kinder 12.10

Solche Aussagen stehen teilweise in krassem Kontrast zu dem, was Sean Combs selbst für Legenden über sich in Medien gesponnen hat. “Einmal sind wir aufgewacht und mein Gesicht war voller Kakerlaken. Da dachte ich mir: Das mache ich nicht mit. Ich werde jemand sein”, sagte er erst vor einigen Jahren in einem Radiointerview über diese Zeit.

Diese Widersprüchlichkeit zieht sich durch die gesamte Causa Diddy. Sie zeigt in der Doku wie in der Realität, wie schwierig es ist, Beweise und Fakten zu finden, über einen von seinem Image getriebenen Mann, der seinen Erfolg und Einfluss genutzt haben soll, um seine Macht zu zementieren und Kritiker und mutmaßliche Opfer zum Schweigen zu bringen. Man versteht immer mehr, wie schwer es für die Ermittlungsbehörden gewesen sein muss, die 14-seitige Anklageschrift zusammenzustellen.

Wutausbrüche und Hasstiraden

Mit am stärksten in der Dokumentation sind die Aussagen von Sara Rivers, einer Sängerin, die an Diddys Reality-TV-Format “Making the Band” teilnahm. Sie berichtet von Wutausbrüchen und Hasstiraden, von absurden Aufgaben, die ihr gestellt worden seien: “Einmal hat er meine Kollegin im Studio angeschrien, dass er so sauer sei, dass er ihr Fleisch essen wolle.” Ein andermal habe er Gegenstände nach ihnen geworfen. Sie schweigt kurz, dann: “Wer macht denn so was?”

Diddy habe sie auch angefasst, erzählt Rivers weiter, will oder kann aber nicht konkret werden. “Ich wollte nicht mehr in seiner Nähe sein, außer es waren Kameras dabei.”

Sara Rivers ist eine der wenigen Betroffenen, die mit Klarnamen vor der Kamera stehen. 

Die Doku zitiert anonym einen ehemaligen Mitarbeiter von Diddys Plattenlabel Bad Boys, der Rivers’ Beobachtungen unterstützt und berichtet, dass Diddys aggressives Verhaltensmuster über die Jahre schlimmer geworden sei. “Manchmal hat er Dinge gesagt, um uns zu testen.” So habe Diddy ihm Videos von zwei Männern beim Sex gezeigt und mit “so macht man das in der Industrie” kommentiert. Auch dieser Zeuge wird nicht konkret. Ob er selbst auch von Diddy angefasst worden sei? Das sei ein heikles Thema, das wolle er nicht kommentieren. Auch jetzt noch scheint die Angst vor potenziellen Auswirkungen zu groß. 

Vorwürfe auch gegen Diddys Umfeld

Später folgt die erschütternde Aussage einer Frau, die in der Dokumentation nur Ashley genannt wird und im Oktober Klage einreichte. Ihr zufolge sollen sich gleich mehrere Männer an ihr vergangen haben, Combs soll sie mit einer Fernbedienung vergewaltigt haben. Sie ist eine der wenigen, die nicht nur gegen den Musiker Vorwürfe erhebt, sondern auch gegen Diddys Umfeld, das dessen mutmaßliche Machenschaften ermöglicht haben soll. Diddy Opfer-Anwältin 18:21

Ein weiterer Fokus der Macher der Doku liegt auf dem Aufstieg des Rappers. Menschen wie Diddys langjähriger Bodyguard, Journalistinnen und eine ehemalige Stylistin zeichnen das Bild eines Mannes, der von seinem Image besessen war. Er habe unbedingt raus aus dem Straßenmilieu gewollt, habe ständig und überall Stylisten einfliegen lassen für sich und seine damalige On-off-Partnerin Kim Porter. Bentley statt Lowrider, Hamptons statt Bronx. “Sein Image war seine Lebensgrundlage”, heißt es.

Kollegen und Bekannte aus seiner Zeit an der Howard University und seinen ersten Jobs beschreiben Diddy als einen Mann mit unglaublichem Ehrgeiz und großer Hartnäckigkeit. Den Aussagen zufolge schlief der Musiker zeitweise in seinem Auto, um die Verantwortlichen von Uptown Records abzupassen. Hier fing er Anfang 20 als Praktikant an. Kaffee kochen und andere niedere Tätigkeit ließ er schnell hinter sich und landete nach nur anderthalb Jahren im A&R Ressort, ein Job, bei dem er neue Künstlerinnen und Künstler entdeckte und entwickelte.

“Schlag ins Gesicht”

Parallel etablierte Diddy sich im Veranstaltungsgeschäft, plante Partys und Events. Als ein überfülltes Basketballspiel am New Yorker City College Anfang der Neunziger in einer Katastrophe endete, bei der neun Menschen ums Leben kamen, stritt der Rapper jede Verantwortung ab, juristische oder gesellschaftliche Konsequenzen gab es für ihn nicht.

Die Angehörigen der Opfer warten nach eigener Aussage bis heute auf eine Entschuldigung. Diddy habe lediglich ein schmales Schmerzensgeld zwischen 40.000 und 50.000 Dollar gezahlt. Zu einem Zeitpunkt, als sich sein Vermögen bereits auf 40 Millionen Dollar belief. “Das war ein Schlag ins Gesicht”, sagt Jason Swain, der Bruder einer Verstorbenen.

Niemals entschuldigen, alles abstreiten – nach dieser Strategie scheint Diddy weiter zu verfahren. 

Diddys Anwalt kritisiert Dokumentation

P. Diddy weist die in der Doku erhobenen Vorwürfe energisch zurück. “Diese Dokumentation recycelt und hält die gleichen Lügen und Verschwörungstheorien aufrecht, die seit Monaten gegen Mr. Combs vorgebracht werden”, erklärte sein Anwaltsteam in einem Statement, aus dem die “Washington Post” und der “Hollywood Reporter” zitieren. Es sei “enttäuschend zu sehen, wie NBC und Peacock sich im gleichen Schlamm wälzen wie unethische Boulevardreporter”.

Fakt bleibt, dass seit Combs’ Inhaftierung im September kein Monat vergangen ist, in dem nicht weitere Anschuldigungen gegen ihn erhoben wurden. Erst am 13. Januar, einen Tag vor dem Launch der Doku, ging beim New York Supreme Court eine weitere Anzeige gegen Diddy wegen Vergewaltigung ein. Eine Frau aus New York wirft dem Rapper vor, sie im Jahr 2000 als 16-Jährige vergewaltigt zu haben.PAID IV Strafrechtler P. Diddy 19.55

Den Tathergang beschreibt die Frau laut Medienberichten wie folgt: Combs habe sie in Begleitung zweier Mitarbeiter in einem SUV abgepasst und sie überredet, sie nach Hause zu fahren. Als er sie nicht an ihrer Adresse herausgelassen habe, habe er ihr ein Getränk zur Beruhigung aufgenötigt, dann sei ihr schwummrig geworden. Der Rapper habe sie dann vergewaltigt und schließlich zu Hause abgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt war Combs übrigens mit der Sängerin und Schauspielerin Jennifer Lopez liiert. 

Ein weiterer Vorwurf, ein weiteres Abstreiten durch Diddys Anwälte. “Egal, wie viele Klagen eingereicht werden, es wird nichts an der Tatsache ändern, dass Mr. Combs nie jemanden sexuell angegriffen oder sexuell misshandelt hat – weder Mann noch Frau, weder Erwachsene noch Minderjährige.”

Was die Security-Kameras zeigen

Was schwerer abzustreiten sein dürfte: Die Szenen, die die Security-Kameras 2016 in einem Hotel in Los Angeles aufnahmen und die im Mai 2024 CNN zugespielt wurden: Zu sehen ist Diddys damalige Freundin Casandra Ventura, die vor einem aufgebrachten Combs flieht. Diddy, der sie am Fahrstuhl einholt und zu Boden wirft, auf sie eintritt und sie durch den Hotelflur schleift.

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Wurde Diddy durch die Erfahrungen in seiner Kindheit zum Monster? 

Das wäre weder ein rechtfertigender Ansatz, für einen Mann, dem jedes Mittel zur Verfügung stand, sich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen, noch kann die Doku die Frage beantworten. Auch wenn sie es noch so sehr möchte. 

Die Doku “Diddy: The Making of a Bad Boy” läuft beim US-Streamingdienst Peacock. In Deutschland ist sie aktuell nicht zu sehen.

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