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BSW-Bundesparteitag: Verglüht jetzt der Stern von Sahra Wagenknecht?

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Sahra Wagenknecht hat mit ihrer neuen Partei einen fulminanten Start hingelegt. Doch jetzt droht ihr Bündnis am Einzug in den Bundestag zu scheitern. Das wäre ein Wendepunkt.

Wer wissen will, wie schnell sich politische Stimmungen drehen können, bekommt beim Bündnis Sahra Wagenknecht Anschauungsmaterial. Vor wenigen Monaten schien für Truppe der Ex-Linken der Einzug in den Bundestag noch eine sichere Sache. Das BSW war mit 6,2 Prozent ins Europarlament eingezogen, hatte bei drei Landtagswahlen so gut abgeschnitten, dass es nun sogar in Thüringen und Brandenburg mitregiert. In Umfragen im Bund lag es bei stabilen sieben bis neun Prozent. 

Gegen zwei Mitglieder läuft ein Ausschluss

Doch wenn an diesem Sonntag rund 700 der insgesamt 1000 Mitglieder des BSW im Bonner “World Conference Center” zu ihrem Wahlparteitag zusammenkommen, gibt es trotzdem keinen Grund für Euphorie. Laut dem jüngsten ZDF-Politikbarometer kommt die Wagenknecht-Partei nur noch auf vier Prozent. 

Das ist zu wenig, um in den Bundestag zu kommen, in dem das BSW nach der Abspaltung von der Linken bislang mit dem Status “Gruppe” vor sich hin vegetiert. Und drei Direktmandate für die Ausnahmeklausel sind auch nicht in Sicht. 

Wagenknechts Gegnerin 10.50

In einigen Landesverbänden knirscht es längst. In Thüringen stritt Landeschefin Katja Wolf mit Wagenknecht um die richtigen Formulierungen im Koalitionsvertrag. In Hamburg gibt es Unstimmigkeiten mit dem Bundesvorstand. Gegen zwei Hamburger Mitglieder laufen Ausschlussverfahren, nachdem sie einen zweiten Landesverband gegründet hatten.

09: WagenknechtPartei will Hamburger Rebellen ausschließen – 9e03c154103c8570

Und ein weiteres Mitglied, der BSW-Mitgründer Torsten Teichert, ehemaliger Mitarbeiter von Hamburgs Ex-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi, hat gerade nach Informationen des “Spiegel” Wagenknecht in einem internen Schreiben “Führerkultur” und “klammheimliche Sympathie für das AfD-Denken” vorgeworfen.

Sahra Wagenknecht werden “autoritäre Strukturen vorgeworfen”

Die schwierige Lage des BSW ist zumindest teilweise hausgemacht. Die straffe Führung, die Abschottung von Wagenknecht und ihrem engsten Vertrauten-Zirkel bei gleichzeitig scharfer Kontrolle sorgen seit Monaten für Unmut. Neu-Mitglieder werden nach wie vor nur handverlesen und nach Prüfung durch den Bundesvorstand aufgenommen, angeblich um das Infiltrieren mit Querulanten zu vermeiden. Einige Unterstützer der ersten Stunden, die seit Monaten auf Aufnahme hofften, haben inzwischen ihren Antrag aus Verdruss über das lange Warten wieder zurückgezogen. 

Der Europaabgeordnete Friedrich Pürner, ein ehemaliger Amtsarzt, der wegen seiner Kritik an den Corona-Maßnahmen in der Pandemie seinen Posten verlor, drohte gerade in einem Interview mit der “Berliner Zeitung” offen mit seinem Austritt. Er sprach von “autoritären Strukturen”: “Nach meiner Ansicht haben sich in der Führungsriege der Partei vor allem ehemalige und untereinander gut bekannte Ex-Linke breitgemacht.” 

Das größte Problem ist nicht selbst verschuldet

Das größte Problem für den BSW ist aber nicht selbst verschuldet. Als Wagenknecht die Partei gründete, konnte sie auf die Unzufriedenheit vieler Menschen mit der Ampel-Regierung bauen. Doch die Koalition ist inzwischen Geschichte; der Wahlkampf wird von den großen Parteien, CDU/CSU, AfD, Grüne und SPD, bestimmt. Die Kleinen drohen, unterzugehen. Nicht nur das BSW.

Hinzu kommt, dass sich das BSW nicht in Brandenburg und Thüringen der Regierungsverantwortung entziehen konnte. Dies schwächt automatisch den radikalpopulistischen Kurs in Bund, vor allem in Konkurrenz zur AfD. 

Zumindest das Bündnis mit der CDU in Thüringen wollte Sahra Wagenknecht verhindern, konnte sich aber nicht durchsetzen. Sie steht deshalb am Sonntagnachmittag in Bonn vor einer doppelten Herausforderung: Sie muss in ihrer Rede nicht nur das fundamentaloppositionelle Image glaubwürdig verkaufen – sondern auch den Eindruck vermitteln, dass ihr Bündnis einig ist und die schlechten Umfragewerte nur ein kurzes Formtief sind.

Sahra Wagenknecht im Bundestag am Redepult
Die Parlamentszeitung schrieb danach in einem Portrait über sie, Wagenknechts Ruf eile ihr voraus. Die überzeugte Kommunistin pflege das Image einer Kämpferin gegen den neoliberalen Zeitgeist, heißt es dort, ihr Name sei untrennbar verbunden mit kompromisslos linker Politik und Kapitalismuskritik
© Metodi Popow

Beschlossen werden soll auf dem Parteitag auch das Bundestagswahlprogramm. Es ist in vielen Punkten eine Mischung aus linker Sozial- und Friedenspolitik und rechtskonservativer Sicherheits- und Wirtschaftspolitik. Gefordert wird die Rücknahme des Heizungsgesetzes und des Verbrennerverbots, eine Steuerbefreiung der gesetzlichen Renten bis 2000 Euro und eine Reichensteuer für Vermögen ab 25 Millionen Euro. 

Der gesetzliche Mindestlohn soll auf 15 Euro erhöht, das Bürgergeld durch eine “leistungsgerechte Arbeitslosenversicherung” ersetzt werden. Krankenhausprivatisierungen sollen gestoppt, eine Bürgerversicherung für alle eingeführt werden. Etwas kurios wirkt die Forderung nach einem “nationalen Tag der Entrümpelung”, bei dem zweimal im Jahr in Behörden geprüft werden soll, welche Richtlinien und Vorgaben abgeschafft werden könnten.

Das Wahlprogramm – ein Links-Rechts-Mix

Das ist die eine Seite. Die andere: Innenpolitisch setzt das BSW auf Härte und Abschottung. Straffällig gewordene Flüchtlinge sollen laut Wahlprogramm ihren Anspruch auf ein Asylverfahren verlieren und letztere generell in sichere Drittstaaten außerhalb der EU ausgelagert werden.

Ansonsten erklärt sich das BSW natürlich zur “einzig konsequenten Friedenspartei”, fordert ein Verbot von Rüstungsexporten. Auch lehnt es die Wiedereinführung der Wehrpflicht, den Einsatz deutscher Soldaten im Ausland und die Stationierung von US-Mittelraketen auf deutschem Boden ab. Die finanzielle Unterstützung der Ukraine soll umgehend gestoppt und ein “Waffenstillstand ohne Vorbedingungen” herbeigeführt werden. Wagenknecht selbst war noch nie in der Ukraine.

Die Ukraine-Forderungen waren in den vergangenen Monaten eine der größten Attraktionen des BSW. Doch selbst sie haben ihre Anziehungskraft verloren, seit nach dem Bruch der Ampel die Unterschiede zwischen Noch-Kanzler Olaf Scholz und seinem Rivalen Friedrich Merz (CDU) in der jeweiligen Ukraine-Strategie noch einmal deutlicher geworden sind. Beim Thema Migration wiederum dürften sich viele Wähler und Wählerinnen, die mit den Forderungen des BSW sympathisieren, am Ende eher für die AfD entscheiden. Diese liegt in den Umfragen inzwischen bei mehr als 20 Prozent.

Das würde ein Scheitern bei der Wahl bedeuten

Für Sahra Wagenknecht war der Einzug in den Bundestag immer das größte Ziel für ihr Bündnis. Gelingt dies nicht, bedeutete dies zwar noch nicht das Ende der Partei. Doch dann würden die Unstimmigkeiten im Inneren und der Mut zum Widerstand gegen Vorgaben aus Berlin wachsen. 

Wagenknecht müsste dann noch mehr Kraft auf den Zusammenhalt verwenden – eine Eigenschaft, die ihr schon zu Zeiten als Linksfraktionschefin nicht besonders lag. Ein Scheitern bei der Bundestagswahl könnte daher den Anfang vom Ende ihres Parteiprojekts bedeuten.  

In einer früheren Version dieses Beitrags hieß es, die designierte Hamburger Spitzenkandidatin Zaklin Nastić sei zurückgetreten. Diesen Entschluss nahm sie am Samstag wieder zurück und ließ sich zur Spitzenkandidatin wählen.

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