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Meinung: Diese SPD ist nur noch auf Autopilot unterwegs

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Sechs Wochen vor der Bundestagswahl fehlt Olaf Scholz und seinen Sozialdemokraten jede Energie, jede Kraft. Das hat vor allem zwei Gründe.

Oberflächlich betrachtet war es ein ordentlicher Parteitag für den Bundeskanzler. Kein Sozialdemokrat hat rebelliert, niemand ist aufgesprungen, um ein Boris-Pistorius-Plakat zu entrollen, und einen Farbbeutel hat Olaf Scholz auch nicht abbekommen. Was aber auch fehlte im Berliner “CityCube”: ein Ruck.

Gut 50 Minuten lang spulte der Kanzler bei seinem Auftritt herunter, was an seinen Gegnern schlecht ist und an seinem Plan gut. Höhere Löhne und stabile Renten, mehr Geld für Investitionen und Besonnenheit in der Außenpolitik. Ähnlich routiniert lief die Wahl zum Kanzlerkandidaten: Kartenzeichen, fast hundert Prozent, Halleluja. Eine Partei steuert im Autopilot in Richtung Wahlsieg oder in Richtung Absturz. Wahrscheinlicher ist gerade Letzteres. 

Sechs Wochen vor der Wahl hat Scholz keine verheißungsvolle Machtoption jenseits der Großen Koalition. Er kann die eigene Amtszeit wegen des Ampel-Bruchs nicht als Erfolg verkaufen. Und die wirtschaftliche Misere mag viele Ursachen haben – sie geht aber nun mal mit dem Chef nach Hause. So weit, so bekannt. Wichtiger noch sind zwei andere Probleme.

Scholz fehlt Sprache und Projekt

Erstens fehlt Scholz eine Sprache, die den Zeitgeist trifft. Für die „ganz normalen Leute“ mache man Politik, wiederholte der Kanzler in seiner Rede gebetsmühlenartig. Das ist kein schlechter Satz, nur fragt man sich, warum er dann nicht so spricht, wie ganz normale Leute. 

Meinung vor SPD-Parteitag8.20

Scholz ist nicht Gerhard Schröder, und man sollte nicht versuchen, Populismus mit Populismus bekämpfen. Aber bei sämtlichen Themen – von der Migration, über die Wirtschaft bis zur grotesken Vermögensschere in diesem Land – gäbe es unzählige Möglichkeiten, rhetorisch mal eine Prise gesunden Menschenverstand unterzubringen. Weil das bei Scholz fast vollständig fehlt, wirkt das gut gemeinte Mantra, für die ganz normalen Leute Politik zu machen, so, als zähle er sich selbst gar nicht dazu. Fast hat man den Eindruck, als grüße Olaf „die Menschen“ von ganz weit weg. Kann man so eine Wahl gewinnen?

Zweitens fehlt Scholz ein Projekt, ein großer, progressiver Plan, so banal das auch klingt. Der Kanzler will das Schlimmste verhindern, Friedrich Merz, die Rückkehr der neoliberalen Kälte, sinkende Renten. So viel haben wir jetzt verstanden. Aber um eine Wahl zu gewinnen, reicht es nicht, gegen etwas anzurennen. Politische Energie entsteht, wenn es eine Idee gibt, für die man brennt. 

Die Mutlosigkeit der AfD-Gegner

Scholz hat Ideen, sehr viele sogar, so viele, dass für jeden etwas dabei ist. Aber reicht es, in einer Welt, die in ihrer Grundordnung gerade erschüttert wird, den Spiegelstrich-Olaf zu geben? Dass die SPD, dass eigentlich alle demokratischen Parteien es den Extremisten überlassen, für große Veränderung zu stehen, für Zäsuren und einen Bruch mit gewohnten Ritualen, ist schon jetzt das Drama dieses Wahlkampfs. Die Mutlosigkeit kommt den Gegnern der Populisten aus allen Poren.

Interview Scholz Heft 05.49

Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass man politisch nie etwas ausschließen sollte. Scholz ist schon einmal ein Wunder gelungen. In den verbleibenden sechs Wochen kann noch einiges passieren. Womöglich lassen Russland und die Ukraine die Waffen ruhen. Womöglich bedroht Donald Trump mit seinem Wahnsinn auch Europa. Und ein schwerer Fauxpas ist bei Friedrich Merz natürlich nie auszuschließen, schon gar nicht jetzt, wo er so unsicher wirkt, als wolle er seinen Vorsprung einfach nur irgendwie ins Ziel retten. Aber die SPD ist jetzt von äußerem Beistand abhängig.

Denn wenn dieser Parteitag eines gezeigt hat, dann das: Die eigene Kraft wird kaum ausreichen, um diese Wahl zu gewinnen.

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