Die Datingshow “Love is Blind” gibt es zum ersten Mal auch aus Deutschland. Ein Erfolg – zumindest was die Liebe angeht – ist aber zweifelhaft.
Das Prinzip von “Love is Blind” basiert auf der uralten Frage: Zählen wirklich nur die inneren Werte bei der Partnersuche? Als die erste Staffel 2020 bei Netflix ausgestrahlt wurde, löste sie mit ihrem Konzept einen Hype aus: Über knapp zwei Wochen treffen sich bei “Love is Blind” Männer und Frauen zu Dates. Der Clou: Sie sitzen jeweils alleine in einer Kammer, den sogenannten “Pods” und sind mit einer Wand voneinander getrennt.
“Love is Blind”: Erste Staffel aus Deutschland gestartet
Die Gespräche, die entstehen, sind oft direkt tiefgründig, die Kandidaten gehen schnell aufs Ganze. Denn der nächste Schritt der Sendung ist die Verlobung. Und das, ohne einander je gesehen zu haben. Das erste Treffen findet erst statt, wenn man sich zu einander bekannt hat und die Hochzeit feiern will.
Tatsächlich sind knapp fünf Jahre später noch zwei Paare aus der ersten Staffel verheiratet. Und auch aus anderen Ausgaben haben ein paar wenige Pärchen bis heute durchgehalten. Jetzt ist die erste Staffel aus Deutschland auf Netflix gestartet. Doch bereits die ersten vier veröffentlichten Folgen lassen nicht gerade das große Liebesglück erahnen.
FS Vergessene Promi-Paare 18.35
Obwohl die erste Verlobung bereits nach 50 Minuten über die Bühne geht, sind die deutschen Kandidaten eher zaghaft, was große Liebesbekundungen betrifft. Auch die Gespräche wirken in den “Pods” teilweise oberflächlich, teilweise wie ein Interview. Hobbys, Kinderwunsch, Zukunftsplanung – es geht schnell zum Punkt, besonders tiefgründig wird es aber kaum. Deutsch-effizient, könnte man meinen.
Kein “Ich liebe dich”
Eine Kandidatin wurde in der Vergangenheit enttäuscht, weil ihr Geburtstag nie richtig gefeiert wurde, eine andere schaut gerne die “Harry Potter”-Filme und eine Teilnehmerin interessiert sich sehr für Sternzeichen. Die männlichen Kandidaten versuchen derweil so lange wie möglich, sich alle Optionen offen zu halten, beteuern dabei aber, keine “Fuckboys” zu sein. Ist klar. Es kann dem Schnitt geschuldet sein, aber auf bedeutendere Gespräche wartet man als Zuschauer vergeblich. Genauso auf ein “Ich liebe dich”.
Nachdem sich die Paare schließlich verlobt haben, reisen sie alle nach Griechenland, um sich dort besser kennen zu lernen. In den Staffeln aus den USA kam es auf der Reise meist zu den ersten Problemen. Die meisten der deutschen Frisch-Verlobten wirken jedoch gleich von Beginn an eher wie Fremde, die man zusammen in einem Hotelzimmer abgesetzt hat. Kandidat Pascal sagt sogar, er sehe seine Auserwählte Shella nicht wie seine Verlobte. Nun gut, er scheint das Konzept der Show vergessen zu haben, aber vielleicht fängt sich der junge Mann auch noch.
Beim Wiedersehen mit den anderen Kandidaten äußern die ersten bereits Zweifel an ihrer Partnerwahl. Die Frage, ob “love” wirklich “blind” ist, scheint direkt zu beantwortet. Nein, ist sie nicht. Denn besonders die Kandidatin Hanni und ihr Beinahe-Auserwählter Ilias fühlen sich ganz offensichtlich zueinander hingezogen – obwohl sie sich nicht miteinander verlobt hatten.
Die ersten vier Folgen der Show werfen ein wenig die Frage auf, ob Deutschland das richtige Land für “Love is Blind” ist. Wer hierzulande schon einmal als Single auf Dates war, dürfte wissen, dass man nicht zu früh die überschwänglichen Gesten und Liebesschwüre erwarten sollte.
Das – womöglich nicht ganz falsche – Klischee des zurückhaltenden Deutschen ist so offensichtlich in “Love is Blind”, dass auch nur eine einzige Ehe am Ende der Sendung Stand jetzt unwahrscheinlich wirkt. Laut Statistik heiraten Paare in Deutschland deutlich später als Paare in den USA. Ist man hierzulande oft über 30, wenn man sich das Jawort gibt, treten die Amerikaner im Schnitt in ihren Zwanzigern vor den Traualtar. Vielleicht auch ein Aspekt, den man nicht missachten sollte.
Die großen Gefühle lassen zu Beginn noch auf sich warten, dennoch ist Drama bei “Love is Blind” vorprogrammiert. Und auch die Vorschau auf die kommenden Episoden verspricht einiges an Tränen und Streit. Ganz abschreiben sollte man die Netflix-Sendung nicht.