Hält die Ampelkoalition? Zerbricht sie? Was immer geschieht: Der große Verlierer ist die kommende Generation.
Die weiteren Aussichten: düster. So könnte man die Lage für den Klimaschutz in diesen Tagen beschreiben. Wenn die Ampelregierung bis in den Herbst 2025 durchhält, wird er weiter an Bedeutung verlieren. Wenn das Bündnis scheitert, ebenfalls. Denn dann übernimmt die retardierfreudige Union.
Wenn die Koalition durchhalten will – Szenario eins –, muss sie sich von rot-grünen Prinzipien verabschieden. Sonst lässt FDP-Chef Christian Lindner das Bündnis platzen. Ausgerechnet eine Partei, die laut Umfragen kaum mehr vier Prozent der Deutschen wählen würden, nötigt die Regierung zur Rolle rückwärts. Mit diabolischem Stolz zwingt Lindner in seinem jüngsten “Konzept für Wachstum und Generationengerechtigkeit” den politischen Partnern seine Bedingungen auf. Und die sind fatal.
Er will keine Erneuerbare Energien oder Heizungen mehr fördern. Er will den Kohleausstieg auf den Sankt Nimmerleinstag verschieben. Er will klimaschädliches Erdgas aus deutschem Boden holen, auch mit der umstrittenen Fracking-Methode. Ein Verbrennerverbot 2035, wie von der EU beschlossen, lehnt der bekennende Porsche-911-Fan sowieso ab. Die Diesel-Subventionen, die den Bund 23,5 Milliarden Euro pro Jahr kosten, will der klamme Finanzminister dagegen nicht streichen.
CDU plant die Rolle rückwärts
Im zweiten Szenario, wenn die Ampel zerbricht, beginnt zunächst eine bleierne Zeit. Die alten Akteure sind zahnlos, sie schalten komplett auf Wahlkampf um und bringen nichts mehr auf die Reihe. Die neue Regierung dürfte nach Stand der Bundeskanzler Friedrich Merz, CDU, anführen. Er spekuliert darauf, dass die FDP irgendwie wieder in den Bundestag einzieht und es dann für Schwarz-Gelb reicht. Dann heißt es erst recht: Gute Nacht, Klimaschutz.
Merz hat gerade bekannt, er halte Klimaschutz in der Politik für überbewertet. Er will zwar das deutsche Ziel, 2045 klimaneutral zu sein, nicht grundsätzlich aufgeben, aber den “grünen Weg” verlassen. Wie, lässt sich im Strategiepapier “Neue Energie-Agenda für Deutschland” nachlesen, verfasst von den stets meinungsflexiblen CDU-Abgeordneten Andreas Jung und Jens Spahn.
STERN Interview Energiewende Strompreise Fraunhofer Dr. Kost 18.25
Da wimmelt es von Fantasien über die Rückkehr der Atomkraft. Die Herren kalkulieren sogar mit Mini-Akw, die es noch nirgends im Alltagsbetrieb gibt. Natürlich fordern sie auch “Technologieoffenheit”, was ein Euphemismus für “Alles wie früher” ist. So wollen sie frühestens in 14 Jahren aus dem Klimakiller Kohlekraft aussteigen. Auch fordern sie den Einsatz von Wasserstoff, der nicht mal klimaneutral sein müsse.
Mögliches Ampel-Aus: Der Abschied von der Energiewende naht
Man braucht nicht viel Imagination, um zu erkennen, wie ein schwarz-gelber Koalitionsvertrag ausfiele, nachdem die FDP, das ewige Zünglein an der Waage, ihre Ideen von Klimapolitik hinein diktiert hätte. Lindner würde den Gesellschaftsvertrag namens Energiewende aufkündigen, den die Bundesrepublik zur Jahrtausendwende beschlossen hat. Und zwar in großem politischen Konsens. Die Union würde diese Kündigung mittragen, um nicht mit den fordernden Grünen oder gar der SPD koalieren zu müssen.
Die Lage ist jetzt schon tragisch. Die Opposition (plus FDP) hat seit Start der Ampelregierung anerkannte Zukunftstechnik wie Wärmepumpen und Elektroautos mit diebischer Freude lächerlich gemacht und damit die Bevölkerung völlig verunsichert. Sie tun so, als könne die deutsche Wirtschaft nur mit fossilen Brennstoffen, nicht vorhandenen E-Fuels und Atomkraft wieder erstarken. Dabei sehen das nicht einmal die Konzernchefs so, weil sie wissen, dass die Weltmärkte längst anders funktionieren: Klimaschutz zählt auch an den Börsen!
Die Ampel hat vieles falsch gemacht. Doch gerade bei der Energieversorgung stimmte der Kurs. Die Krise nach Putins Überfall auf die Ukraine hat bewiesen: Es ist ökonomisch wie ökologisch sinnvoll, sich unabhängig zu machen vom volatilen Weltmarkt und sich auf zuverlässige heimische Energiequellen zu kaprizieren. Die heißen: Sonne und Wind. Denn andere nennenswerte Ressourcen hat Deutschland nicht. Schon lange lagern in deutschem Boden keine ausreichenden Öl- oder Gasvorräte, die Wirtschaft und Gesellschaft langfristig weiterhelfen könnten.
Deutschland ist nicht mehr mutig
Deutschland geht auch keinen “Sonderweg” in der EU, wie Lindner gern behauptet, sondern war bislang mutig. Die Staaten des Nordens sind viel ambitionierter. Auch Schweden peilt für 2045 Klimaneutralität an, Norwegen sogar 2035, über 80 Prozent der Neufahrzeuge sind hier E-Autos. Global betrachtet sind in China, dem größten Automarkt der Welt, inzwischen mehr als die Hälfte aller zugelassenen Fahrzeuge Stromer. Selbst in den USA liegt deren Marktdurchdringung bei zehn Prozent.
Wenn Union und FDP so ziemlich alle Subventionen und politischen Instrumente abschaffen, die das Land bisher in eine klimaneutrale Zukunft steuerten, führt das ganz sicher nicht zu mehr Generationengerechtigkeit. Die Reichen wird’s nicht jucken, ob die Kilowattstunde Gas neun oder 15 Cent kostet oder Benzin 2,10 statt 1,70 Euro. Die Armen müssen dagegen schmerzlich blechen, zumal Linder auch ein “Klimageld” als Ausgleichszahlung verhindert.
Es ist höchste Zeit, dass in Berlin wieder die Vernunft regiert. Die Folgen der Erderwärmung sind unerträglich, wie sich gerade bei der Flutkatastrophe in Ostspanien wieder zeigt. Der ehemalige CDU-Umweltminister Klaus Töpfer hat es auf den Punkt gebracht: “Wer jetzt noch nicht wach ist, der muss sich fragen, was denn eigentlich passieren muss, damit man den Ernst der Lage erkennt?”