Der Bundesrechnungshof hat den Versuch des Bundesarbeitsministers bewertet, ukrainische Geflüchtete schneller in Arbeit zu bringen. Das Ergebnis ist nach stern-Informationen verheerend.
Zuversichtlich gab sich Hubert Heil (SPD), als er von einem Jahr den “Job-Turbo” vorstellte. Mit diesem Projekt werde man ukrainische Geflüchtete “schneller von der Schulbank der Integrationskurse an den Arbeitsplatz bringen”, versprach der Bundesarbeitsminister bei einem Auftritt Mitte Oktober in Berlin. Und noch vor wenigen Tagen schrieb sein Ministerium auf der hauseigenen Website: “Der Job-Turbo wirkt.”
Das Urteil des Bundesrechnungshofs fällt deutlich anders aus. Das geht aus einem Bericht hervor, den die Bundesbehörde am Dienstag dem Haushaltsausschuss übermittelte und der dem stern vorliegt. Darin wird die “Betreuung der Geflüchteten aus der Ukraine durch die Jobcenter” genauer untersucht. Die Bilanz liest sich vernichtend.
Rund 540 Millionen Euro pro Monat
Etwa 1,2 Millionen Geflüchtete aus der Ukraine haben derzeit in Deutschland Schutz gefunden. Rund 720.000 von ihnen beziehen Bürgergeld, davon sind rund 500.000 (theoretisch) erwerbsfähig. Die Leistungen für sie liegen bei monatlich 539 Millionen Euro.
Tatsächlich hat Deutschland im Vergleich nur eine sehr geringe Beschäftigungsquote von ukrainischen Geflüchteten vorzuweisen: Im Juni 2024 lag sie bei knapp 30 Prozent. Andere Länder schneiden deutlich besser ab: In Dänemark etwa liegt die Quote bei rund 70 Prozent.
Mit dem “Job-Turbo” sollte alles besser werden: Durch Maßnahmen wie mehr Beratungsgespräche, eine frühzeitige Anerkennung von Qualifikationen und eine schnellere Vermittlung in den Job sollte die Erwerbstätigkeit unter den Geflüchteten deutlich erhöht werden.
Der Bundesrechnungshof kommt zu dem Schluss, dass dies nicht gelungen sei. Die Prüfung habe “erhebliche Defizite der Jobcenter bei der Integrationsarbeit ergeben”, heißt es in dem Papier.
“Job-Turbo”: mangelnde Beratung, schlechte Vermittlung
Konkret werden verschiedene Ursachen aufgelistet:
Zu häufig habe eine Beratung während der Integrationskurse gefehlt. 2024 habe bei jedem dritten Fall keine Beratung stattgefunden, obwohl die Integrationskurse viermal häufiger abgebrochen würden, wenn die Geflüchteten nicht währenddessen beraten würden.Angaben von Geflüchteten seien nur mangelhaft oder gar nicht überprüft worden, etwa wenn sie Integrationskurse unter Verweis auf gesundheitliche Gründe verweigerten oder abbrachen. “Die Jobcenter ließen sich nicht immer ein ärztliches Attest als Beleg vorlegen”, heißt es im Prüfbericht. Oft würden die Jobcenter Lebensläufe, Kenntnisse und Fertigkeiten nicht oder nicht vollständig erfassen. So wurden 2024 bei 18 Prozent der Geflüchteten der Stand der Sprachkenntnisse nicht dokumentiert, in weiteren 24 Prozent der Fälle sogar gar nicht aktuell erfasst. Dies aber sei Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt. “Die Jobcenter müssen die Erfassung von Daten über Geflüchtete daher deutlich verbessern”, mahnt der Bundesrechnungshof.Zu häufig sei von der eigentlich als “Ausnahmeregel” gedachten Maßnahme Gebrauch gemacht worden, Geflüchteten eine Vermittlung in Arbeit nicht zuzumuten. Dies kann berechtigt sein, wenn minderjährige Kinder im Haushalt leben und keine Kinderbetreuung existiert. Die Jobcenter hätten aber häufig verpasst, zu klären, ob die Kinder nicht vielleicht schulpflichtig sind oder ein Elternteil oder ein anderer Verwandter die Betreuung übernehmen könne, so die Prüfer. Die Vermittlungsvorschläge der Jobcenter hätten bei den für 2024 geprüften Fällen in weniger als ein Prozent zu einer Einstellung geführt.Es liege keinerlei Evidenz dafür vor, dass der “Job-Turbo” eine positive Wirkung habe: “Ob durch ihn eine stärkere Integration Geflüchter in den Arbeitsmarkt stattfindet, kann das BMAS (Bundesarbeitsministerium) bisher nicht verlässlich nachweisen.” Insofern sei auch der von Heil versprochene Entlastungseffekt für den Bundeshaushalt 2024 in Höhe von rund einer Milliarde Euro sowie die prognostizierte Ausgabeminderungen für die Folgejahre fragwürdig.
Arbeitsministerium widerspricht
Im Bericht wird auch vermerkt, dass das Heil-Ministerium zu einer anderen Bewertung kommt. Diese Einschätzung müsse man aber “hinterfragen”, konstatieren die Prüfer. Denn hier habe das Heil-Ministerium etwa natürliche Abgänge aus dem Leistungsbezug, wie sie in jeder Verlaufsbetrachtung vorkämen, fälschlicherweise dem “Job-Turbo” zugerechnet. Auch würden nur Austritte aus dem Leistungsbezug vermerkt, nicht aber geprüft, ob diese Menschen nach kurzer Zeit wieder arbeitslos werden.
STERN PAID 51_23 Hubertus Heil 12.28
Ganz gnadenlos wollten die Prüfer dann aber doch nicht sein. Die Vermittlungsarbeit der Jobcenter habe sich “zum Teil verbessert”, vermerken sie. Auch sei der “Job-Turbo” ein im Ansatz sinnvolles Instrument und dessen Ausbau “sinnvoll und wichtig”.
Damit er funktioniere, so das Fazit, müssten den Jobcentern bundesweit einheitliche Vorgaben für die Umsetzung gemacht werden. Das Bundesarbeitsministerium wird aufgefordert, “konkrete messbare Ziele” zu setzen: “Hieran muss sich der Erfolg des Job-Turbos messen lassen.”