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Paris Fashion Week: Brauchen Luxushäuser wie Chanel keine großen Designer mehr?

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Neue Wege bei Chanel: Nach dem Ausscheiden von Virginie Viard entwarf erstmals das Designteam eine Kollektion. In der Branche wird nun diskutiert, ob man Kreativchefs noch braucht.

Es ist Dienstagmorgen, im Pariser Grand Palais sitzt Elvis Presley-Enkelin Riley Keough auf einer Schaukel in einem riesigen Vogelkäfig und singt “When Doves Cry”. Die Schauspielerin schwebt über der Kulisse, während unter ihr 77 wunderschöne Models in mindestens genauso bezaubernden Looks vorbeiziehen. Ein besonderes Setting, mit dem Chanel die neue Sommerkollektion für 2025 vorstellt. Unter den anwesenden Gästen macht sich eine gewisse Leichtigkeit breit. Als dann auch noch die Sonne durch die frisch geputzten Fenster des Gebäudes strahlt, nicken sich viele zu und sagen: “Gut, dass Chanel wieder hier ist!”

Goldkehlchen: Riley Keough, Schauspielerin und Enkelin von Elvis Presley, schwebte über der Kulisse und sang den Prince-Hit “When Doves Cry”
© PR

Vier Jahre lang konnte das französische Modehaus seine Kollektionen nicht im Grand Palais zeigen. Erst wurde der Prachtbau aufwendig renoviert, dann fanden die Olympischen Spiele statt. Nun ist wieder alles an seinem Platz. So auch Chanel. Schon immer nutzte das Label die Kulisse für seine legendären Shows. Unvergessen sind die Bilder der nachgebauten Rakete, die Karl Lagerfeld hier einst starten ließ. Der Eisberg, der langsam vor sich hinschmolz, ebenso der Supermarkt, dessen Produkte alle mit Chanel-Logos bedruckt waren. 

Chanel: Neuer Teamgeist

Mit der aktuellen Show zeigt Chanel, dass die Marke auch ein kreatives Comeback feiert. Nach dem überraschenden Weggang von Designerin Virginie Viard entwarf das Team der Kreativstudios die neue Kollektion. Zwar ahnte man schon bei der Haute Couture im Juni, dass es vielleicht keinen Kopf wie etwa Karl Lagerfeld braucht, um eine hervorragende Kollektion im Stil des Hauses zu entwerfen. Doch damals waren viele Ideen noch von Viard. 

Erst jetzt bei der Pret-à-Porter-Schau konnte die Mannschaft zeigen, was sie kann und welche Vision sie hat. Und die ist herausragend. Die Schwere, die viele ab und zu bei der Mode von Viard bemängelten, ist verschwunden. Dafür beschäftigte man sich mit dem Gedanken, wie junge Frauen Chanel heute mit Eleganz und Lässigkeit tragen könnten. Die Röcke waren kürzer und teilweise geschlitzt, das ikonische Tweed-Jäckchen kastiger geschnitten. Selbst Hotpants und Kleider aus leichtem Jersey-Stoff waren zu sehen. Alles in Schwarz, Weiß und leichten Pastelltönen, die ebenfalls sehr “chanelig” sind. Hotpants und kastige Schnitte: Die Sommerkollektion von Chanel für 2025 wirkte jung und frisch
© PR

Sogar der typische Two-Tone-Schuh bekam ein jugendliches Upgrade. Ihn gibt es ab nächster Saison mit Plateausohle. Und ein verspiegelter Absatz erinnerte an den berühmten Spiegel im Treppenhaus von Coco Chanels Atelier in der Rue Cambon. Kleinigkeiten, die den Bestsellern des Hauses guttun. 

PAID Modeschauen 10.44

Welche handwerkliche Meisterleistung die Schneiderinnen umsetzen können, zeigte sich auch in den Details, etwa bei einem Kragen aus Federn, der mit Farbverläufen gestaltet war. Vielleicht meinte Bruno Pavlovsi, Präsident des Mode-Bereichs, genau das, als er im Juli sagte, Chanel brauche keinen Designer, der seinen persönlichen Stempel einer Kollektion aufdrückt. Vor allem gehe es um die typischen, weltweit bekannten Markenzeichen, die jede Saison neu definiert werden müssten. Diese Botschaft hat das Kreativteam verstanden, das leider zum Finale nicht auf den Laufsteg trat, um den Applaus zu genießen.

Wie Chanel: Auch Dries van Noten zeigt Entwürfe des Designteams 

Vielleicht ist es der zeitgemäße Weg, der nun auch in der Modewelt Einzug hält. Denn während im normalen Berufsleben Teamwork großgeschrieben wird, wünscht sich die Fashionszene einen Kopf, der die kreativen Geschicke leitet. Einen, der am Ende gefeiert wird, seine Visionen erklärt und dem alle die gezeigte Mode zuschreiben. Teams werden noch immer als “Übergang” bezeichnet. Was schade ist.

Ähnlich wie bei Chanel zeigte auch das Designteam von Dries van Noten einige Tage zuvor eine Kollektion, die erstmals ohne den Gründer entstanden war. Als die Mitarbeiter zusammen über den Laufsteg schritten, saß van Noten im Publikum und applaudierte. Ein rührender Moment.

Erfolgreich als Team: Die Kollektion von Dries van Noten stammte erstmals nicht vom Gründer, sondern von seinen Mitarbeitern, die vom Publikum gefeiert wurden
© Zeppelin/ Avalon

Doch die Mode lebt eben auch von Persönlichkeiten. Und nichts ist doch schöner, als in der Front Row zu sitzen und vor Showbeginn über ein wenig Klatsch zu diskutieren. Verlässt Designer Jonathan W. Anderson wirklich Loewe? Und stimmt es, dass John Galliano zurückkommt zu Dior und Maria Grazia Chiuri ersetzt?

Antworten darauf wird es vielleicht in den nächsten Wochen geben. Eine erhielt man aber bereits an diesem sonnigen Chanel-Morgen. Das Team des Modehauses hat seine Arbeit hervorragend gemacht. Chanel ist zurück. Im Grand Palais. Aber auch in der Moderne.

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