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Vincent Kompany: Mit ihm dürfen sie wieder “zocken” beim FC Bayern

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Als er im Sommer kam, galt er als Übergangstrainer. Doch schon jetzt erkennen sie in München: Dieser Vincent Kompany ist ein Glücksfall für den Verein. 

Vincent Kompany hat es nicht leicht in diesen Tagen. Ständig begegnet er Trainern, die seinen Job als Chefcoach des FC Bayern München hätten machen sollen. Vergangenen Samstag ging es für den 38-Jährigen in der Allianz Arena gegen Bayer Leverkusen und deren Meistertrainer Xabi Alonso. An diesem Mittwoch trifft Kompany beim Champions-League-Duell in Birmingham den Chefcoach von Aston Villa, Unai Emery. Noch so einer, der während der Trainerfindungsphase kontaktiert worden sein soll, als die Bayern-Bosse von März bis Mai das ganz große Fangnetz ausgeworfen hatten.

“Es wurden ganz viele Namen genannt, die uns dann angeblich alle abgesagt haben”, hatte Bayerns Sportvorstand Max Eberl am Dienstagnachmittag in München vor dem Abflug nach Birmingham gesagt. “Aber mit Emery habe ich nie gesprochen. Das war nicht der Trainer, den wir haben wollten.” 

Kompany ist ein akribischer Arbeiter

Angeblich jedoch soll der Spanier, ein Baske wie Alonso, der Wunschkandidat von Bayerns Aufsichtsratsmitglied Karl-Heinz Rummenigge gewesen sein. Doch Sportvorstand Max Eberl hatte zunächst andere Kandidaten im Visier wie Julian Nagelsmann und Ralf Rangnick, die allerdings beide absagten. Und dann verlängerte Emery bei Villa bis 2027. Und das zu einem Zeitpunkt, als Bayerns Wunschtrainer Alonso den Münchnern bereits signalisiert hatte, dass er seine Mission in Leverkusen fortsetzen will. TerStegen_Verletzung 17:25

Immerhin: Nach der possenreichen Trainersuche scheinen die Münchner mit Kompany einen wirklich sehr guten Fang gemacht zu haben. Nach rund elf Wochen im Amt hat sich der 38-Jährige mit seiner nahbaren, authentischen Art sowie akribischer Arbeit freigeschwommen – und erste Meriten verdient. Den Bayern gelang ein souveräner Auftakt: Vier Spiele, vier Siege, 16:3-Tore, souveräner Tabellenführer in der Bundesliga, überhaupt alle Pflichtspiele gewonnen. Allerdings waren die Gegner: Ulm, Wolfsburg, Bundesliga-Aufsteiger Kiel, das nicht Champions-League-reife Dinamo Zagreb und schwache Bremer.

Mit viel Mut in der Offensive – egal, wer der Gegner ist

Im Duell mit Titelverteidiger Leverkusen am vergangenen Samstag hat Kompany dann bewiesen, dass er seine riskante Spielweise mit dem hohen Verteidigen selbst gegen Top-Clubs durchzuziehen vermag. Eine Mannschaft registriert so etwas sehr genau. Dass sich Alonso mit der defensiven Spielweise in München unterordnete und seine vor Offensivpotenzial nur so strotzenden Leverkusener “safety first” spielen ließ, ist Kompanys Verdienst. “Die Energie und der Glaube bei Bayern sind anders als in der letzten Saison, das kann man spüren”, analysierte Alonso voller Anerkennung und erklärte: “Die ganze Mannschaft macht Druck. Sie geben Vollgas mit und gegen den Ball. Man muss große Opfer bringen.” Es sei daher “sehr hart” gewesen für sein Team bei diesem 1:1. 

Der Subtext lautete: Es war anders als beim 0:3 im Februar in Leverkusen oder beim 2:2 vor etwas mehr als einem Jahr in München. Diesmal war es der Meister, der sich anpasste an den entthronten Rekordmeister nach dessen erster titelloser Saison seit 2011/12. Die Kompany-Bayern werden wieder anders wahrgenommen als unter Vorgänger Tuchel, der seine Abteilung Attacke meist nur verbal auslebte, seiner Mannschaft jedoch ein Sicherheitsnetz überwarf.

Lob von Kapitän Manuel Neuer

Der stets ausgeglichene, eher introvertierte Kompany hat die verunsicherten, taumelnden Bayern in rund elf Wochen wiederbelebt und taktisch neu erfunden. “Die Dominanz, die Positionierung, das Selbstverständnis und die Aggressivität im Anlaufen”, hob Kapitän Manuel Neuer hervor. “Das liegt uns auch.” Wenn man das durchziehen könne, “dann stimmt uns das zuversichtlich auf die Saison”. Sportvorstand Eberl frohlockte: “So eine Dominanz – das ist ein ganz, ganz großer Schritt. Wir haben ein Ausrufezeichen gesetzt in der Art und Weise, wie wir Fußball gespielt haben.”

Das alles ist nicht vom Himmel gefallen. Trainersitzungen unter Kompany dauern oft bis tief in die Nacht. Selbst Testspiele werden mit der Akribie einer Champions-League-Partie vorbereitet. Alles geben, keinen Fehler machen, sich nichts vorwerfen lassen können. Und demütig sein. Das ist das Credo von Kompany, dessen Vater 1975 als Flüchtling aus dem Kongo nach Belgien kam. “Wie standen da meine Chancen, einmal in der Premier League zu spielen, als Spieler etwas zu gewinnen und in der Nationalmannschaft zu spielen?”, fragte er und gab gleich die Antwort: “Die Wahrscheinlichkeit lag bei 0,000 etwas. Und jetzt bin ich Coach.”

Kompany spielte einst unter Pep Guardiola

Empathie steht im Zentrum von Kompanys Wirken. “Wichtig ist immer der Umgang mit den Spielern, das Menschliche. Da ist Kompany ehrlich und offen – das schätzen die Spieler”, sagt Lothar Matthäus, Deutschlands Rekordnationalspieler. Auch spielerisch sieht der frühere Mittelfeldspieler große Fortschritte bei den Bayern. “Sie dürfen jetzt zocken, wie man heutzutage sagt. Die Lust und die Freude sind zurück. Die Spieler müssen nicht mehr die Positionen so starr halten wie in den vergangenen eineinhalb Jahren.” In der Ära des Vorgängers. “Bei Tuchel haben sich die Spieler nicht frei gefühlt. Unter Kompany fühlen sie sich sicher, gehen für ihn durchs Feuer. Er hat sie eingefangen und nimmt sie mit auf seiner Reise.” Wie Alonso agiert auch Kompany an der Seitenlinie durchweg positiv-aufbauend, ermuntert seine Spieler und dreht sich bei Fehlern nicht genervt weg wie viele andere in der Branche. Wie Tuchel oder auch Pep Guardiola, unter dem Kompany einst bei Manchester City Kapitän und verlängerter Arm auf dem Spielfeld war. Bei beiden ist das Nörgeln Teil der Motivation, das eigene Team zu reizen und anzutreiben. Aber er, Kompany, will sich emanzipieren von seinem Lehrmeister. Er geht seinen Weg.Portrait_Jo_Kimmich 19:45

Im Verein wird Kompany “Vinnie” gerufen

Ob er, der von allen im Verein nur “Vinnie” gerufen wird, nicht längst bewiesen hat, dass er die bessere Wahl ist als Titelsammler und Menschenfänger Alonso? Kompany, geboren in Uccle, einem Vorort von Brüssel, muss bei der Frage lauthals lachen. Quervergleiche mag er nicht. “Ich bin hier für die Mannschaft”, sagt er ruhig, aber bestimmt, “alles andere ist unwichtig. Ich gönne anderen Leuten den Erfolg, wenn sie das Maximum aus sich herausholen, weil ich weiß, wie schwer es ist. Ich möchte meinen Weg gehen und dafür arbeite ich sehr, sehr hart und will mir alles verdienen.”

Am Anfang seiner Zeit in München trug Kompany oft eine Baseball-Cap und zog diese tief ins Gesicht. Zuletzt hatte er diese Käppis nicht mehr so häufig aufgezogen. Am Anfang seiner Zeit switchte er in Pressekonferenzen ins Englische, wenn es taktisch wurde oder wenn er nicht missverstanden werden wollte bei der Erklärung eines Sachverhalts. Auch das wurde zuletzt weniger. Die Überraschungslösung Kompany ist noch nicht einmal 100 Tage im Amt, wirkt aber schon angekommen. “Wie lange bin ich jetzt schon hier?”, fragte er sich neulich laut. Und das “Mia san Mia”, die Klub-DNA der bajuwarischen Unerschütterlichkeit, scheint der Belgier auch schon verinnerlicht zu haben. “Bayern muss immer sein Spiel durchziehen”, sagte er, “wenn es eine Mannschaft gibt, die uns daran hindert – dann Hut ab!”

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