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Kindesmissbrauch: Kindesmissbrauch über Videochat – Ex-Priester vor Gericht

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Ein ehemaliger Pfarrer steht in Fulda vor Gericht. Er soll Jugendlichen und Kindern kinderpornographische Videos vorgespielt haben. In einer Erklärung gibt er Einblick in seine Gefühlswelt.

Die Anklageverlesung nimmt der ehemalige Pfarrer fast regungslos zur Kenntnis. Er wirkt meist abwesend. Der Mann schaut auf die Tischplatte und nur einmal zu seinem Verteidiger, während die Staatsanwaltschaft von den kinder- und jugendpornografischen Videos berichtet, die der Mann anderen Minderjährigen im Internet gezeigt haben soll.

Insgesamt legt die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt dem 43-Jährigen 71 Fälle zur Last, die er im Landkreis Fulda begangen haben soll. Laut Anklage soll er von September 2021 bis Juli 2022 über eine Videochatplattform im Internet gezielt Kinder und Jugendliche kontaktiert und diesen Videos von sexuellem Kindesmissbrauch vorgespielt haben.

Demnach habe er sowohl zu minderjährigen Jungen als auch Mädchen Kontakt gehabt. In den Videos hätten Kinder untereinander, mit Jugendlichen oder Erwachsenen nackt posiert, getanzt, oder auch sexuelle Handlungen an sich und anderen ausgeführt, hieß es weiter. 

Lange Haftstrafe möglich

Daraufhin soll er oft gefragt haben, ob sie noch mehr sehen oder sie sich ausziehen wollen. So habe auch er selbst sexuelle Handlungen an sich durchgeführt als auch Kinder und Jugendliche dazu angehalten, sich anzufassen. So wird in neun Fällen tateinheitlich sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt angenommen. 

Die Videochats mit den Opfern speicherte der ehemalige Pfarrer auf seinem Laptop. Insgesamt habe der Mann Hunderte Fotos und Videos besessen. Das Gericht könnte den Mann für alle Taten zu einer Höchststrafe von 15 Jahren Gefängnis verurteilen, erklärte der Generalstaatsanwalt Benjamin Krause. 

Die Verteidigung des Angeklagten gab nach der Anklageverlesung eine erste Erklärung zu den persönlichen Umständen ab. Der Mann sei von Kindheit an aktiv in der katholischen Kirche gewesen, habe den Glauben immer als etwas Positives empfunden. Der 43-Jährige habe lange mit dem Gedanken gespielt, Priester zu werden, allerdings oft mit dem Zölibat gehadert. Während zweier Beziehungen – eine auch während seiner Zeit als Priester – habe er “normale Erotik” erlebt und sich zu Frauen hingezogen gefühlt. Im Zuge der Corona-Pandemie sei es dann für ihn zu einer höheren Arbeitsbelastung und Einsamkeit gekommen – er beschäftigte sich mehr mit dem Internet. 

Taten im Landkreis Fulda

Zunächst besuchte er normale “Porno-Seiten”, erklärte der Verteidiger. Nach eigenen Angaben erinnerte der Angeklagte sich dann an ein Beichtgespräch über die benutzte Videochatplattform und probierte diese aus. Die zum Teil “sehr jungen Menschen dort” hätten eine Faszination auf ihn ausgeübt. “Ich hätte stattdessen Sport machen soll”, erklärte der Mann laut der Einlassung, die von seinem Verteidiger verlesen wurde. Er wüsste nun, dass seine Taten Kindern und Jugendlichen Leid angetan hätten. 

Der Anstoß der Ermittlungen gegen den Angeklagten sei laut Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt im Mai 2022 aufgrund eines Hinweises der US-amerikanischen Organisation “National Center for Missing & Exploited Children (NCMEC)” erfolgt. Er geriet dabei in Verdacht, Dritten über das Internet kinderpornografisches Material zugänglich gemacht zu haben. Der Mann war nach Bekanntgabe der Vorwürfe suspendiert worden.

Weitere Verhandlungstage im Oktober

Immer wieder werden Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen in der katholischen und evangelischen Kirche öffentlich. Eine Studie im Auftrag der katholischen Kirche ergab 2018, dass zwischen 1946 und 2014 mindestens 1.670 katholische Kleriker 3.677 meist männliche Minderjährige missbraucht haben sollen. Allein in Hessen dürften es nach Angaben der Bistümer nur in diesem Zeitraum mehr als 300 gewesen sein. 

Auch das Bistum Fulda, für das der Angeklagte als Priester tätig war, äußerte sich bereits vor Prozessbeginn: “Das Bistum Fulda hat ein großes Interesse daran, dass die Vorwürfe gegen den ehemaligen Pfarrer vollumfänglich aufgeklärt und im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung auch entsprechend geahndet werden.” Wenn es zu einer Verurteilung komme, werde sich auch ein kirchenrechtliches Verfahren anschließen. 

Das Landgericht hat für das Verfahren bis zum 29. Oktober neun weitere Termine angesetzt. Der Prozess wird am 8. Oktober fortgesetzt. Weil auch Inhalte der Videos während des Prozesses angeschaut werden sollen, werde die Öffentlichkeit von kommenden Teilen der Verhandlung ausgeschlossen, erklärte der Vorsitzende Richter Joachim Becker. 

 

 

 

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