Die Hamburgische Bürgerschaft spricht sich mit großer Mehrheit für eine Legalisierung der Abtreibung aus. Das Erzbistum kritisiert den Beschluss und fragt: Wo bleibt das Lebensrecht des Ungeborenen?
Das katholische Erzbistum Hamburg hat den Vorstoß der Hamburgischen Bürgerschaft für eine Abschaffung des Paragrafen 218 scharf kritisiert. “Die Regierungsfraktionen blenden völlig aus, dass es hier um zwei absolut schützenswerte Rechtsgüter geht: das Recht der Frau auf Selbstbestimmung und das Lebensrecht des Ungeborenen. Dass Letzteres in dem Antrag von SPD und Grünen noch nicht einmal erwähnt wird, finde ich sehr besorgniserregend”, erklärte die Ständige Beauftragte des Erzbischofs bei Senat und Bürgerschaft, Beate Bäumer.
Nur AfD für Beibehaltung von Paragraf 218
Die Bürgerschaft hatte am vergangenen Mittwoch mit großer Mehrheit das Vorhaben von SPD und Grünen im Bundestag unterstützt, den Schwangerschaftsabbruch zu entkriminalisieren. Für den Antrag stimmten 78 Abgeordnete von SPD, Grünen und Linken sowie Fraktionslose. Von der CDU kamen 10 Enthaltungen, die 6 Abgeordneten der AfD votierten mit Nein.
“Reproduktive Gerechtigkeit” nicht nur für Frauen
“Paragraf 218 ist ein Fossil aus prähistorischer Zeit”, erklärte die gleichstellungspolitische Sprecherin der SPD, Gabi Dobusch. “Mit unserem Antrag senden wir jetzt ein klares Signal für eine moderne Gesetzgebung und für reproduktive Gerechtigkeit.” In der Begründung zu ihrem Antrag schreiben SPD und Grüne: “Die strafrechtlichen Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch erschweren Frauen sowie trans*, inter und nicht binären Menschen auch den offenen Umgang mit ungewollten Schwangerschaften, die ja vielfach noch mit weiteren Problemen und Konflikten einhergehen.”
Erzbistum: Paragraf 218 kriminalisiert nicht
Die Beauftragte des Erzbistums betonte, es könne nicht entkriminalisiert werden, was gar nicht kriminell sei. “Die aktuelle Rechtslage kriminalisiert Frauen nicht. Wer gemäß der Regelung in § 218a StGB (Strafgesetzbuch) einen Abbruch durchführen lässt, wird juristisch nicht verfolgt, nicht strafrechtlich belangt und nicht kriminalstatistisch erfasst”, erklärte Bäumer. Nach Ansicht der katholischen Vertreterin hat sich die bestehende Gesetzeslage und das darauf ausgerichtete Schutzkonzept bewährt. Sowohl die Selbstbestimmung und Gesundheit der Frau als auch der Schutz des ungeborenen Lebens werde gewährleistet.
Etwa jede sechste Schwangerschaft abgebrochen
Nach Angaben des Statistikamtes Nord wurden im Jahr 2023 für Hamburg 3.519 Schwangerschaftsabbrüche erfasst, nach 4.334 im Vorjahr. Die Zahlen schwanken von Jahr zu Jahr, ohne eine eindeutige Tendenz. Im Jahr 2000 waren in Hamburg 4.735 Embryos abgetrieben worden, im Jahr 2015 nur 3.324. Zum Vergleich: Laut Statistischem Jahrbuch wurden im Jahr 2023 in Hamburg 18 264 Kinder geboren. Das bedeutet, dass etwa jede sechste Schwangerschaft in Hamburg abgebrochen wird.
Nordkirche arrangiert sich mit Vorstoß von Rot-Grün
Die evangelische Nordkirche wollte sich zu dem Beschluss der Bürgerschaft nicht äußern. Eine Sprecherin verwies auf eine Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Dieser hatte im Dezember von einem “unauflösbaren Konflikt” gesprochen: “Dem Anspruch des Ungeborenen, geboren zu werden, steht der Anspruch an das eigene Leben gegenüber, dem sich die Schwangere ebenso verpflichtet sieht.” Beide Ansprüche könnten aus einer christlichen Perspektive als Gottes Gebot verstanden werden.
Auf die Frage, ob die Evangelische Kirche die Gesetzesinitiative von Bundestagsabgeordneten mittrage, erklärte die EKD-Ratsvorsitzende, die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs, im Deutschlandfunk: “Wir können uns damit arrangieren.”