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Klimaneutralität: Häfen im Norden setzen auf Landstrom – doch Skepsis bleibt

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Für weniger Schadstoffe und bessere Luft bieten immer mehr Häfen im Norden Landstrom an. Dem erfolgreichen Start bei Kreuzfahrten sollen Containerschiffe folgen. Doch nicht alle Häfen sind überzeugt.

Stecker rein, Motor aus: Im Hafen angelegte Schiffe mit klimafreundlichem Strom vom Festland zu versorgen, gewinnt in Norddeutschland weiter an Bedeutung. In Kiel nutzten 2024 mehr als zwei Drittel der Kreuzfahrtschiffe Landstrom, in Hamburg und Rostock etwa die Hälfte, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Auch bei Containerschiffen steigt das Interesse: Nach Hamburg sollen auch in Bremerhaven die ersten Anlagen eröffnen.

Landstrom soll einen kleinen Beitrag zur Klimaneutralität der Branche leisten. Da der Betrieb auf Seeschiffen auch im Hafen weitergeht, müssen die Motoren dort in der Regel weiterlaufen. Dabei entsteht viel CO2, Stickstoff und Schwefelgas, was Umwelt und Anwohner stark belastet. Nutzen die Schiffe die Landstromanlagen, werden sie im besten Fall mit klimaneutralem Strom versorgt – solange die dafür nötige Technik an Bord und Land ausgebaut ist.

Kreuzfahrtschiffe weit voraus

Die meisten bestehenden Anlagen im Norden dienen der Kreuzfahrt. In Kiel bezogen im vergangenen Jahr knapp 70 Prozent der Kreuzfahrtschiffe Landstrom, in Rostock 53 Prozent. 2023 lag der Anteil in Kiel noch knapp unter der Hälfte, in Rostock bei etwa 32 Prozent.

An den Hamburger Terminals in Altona und Steinwerder bezogen die Schiffe bei 129 Anläufen Landstrom, was 48 Prozent aller Anläufe entspricht. Damit verpasste der Hafen das eigene Ziel: Bei der Eröffnung der Landstromanlage Steinwerder war die Wirtschaftsbehörde für 2024 noch von 180 Anläufen ausgegangen.

Die Reedereien hätten die nötige Technik in den vergangenen Jahren bei vielen Kreuzfahrtschiffen nachgerüstet, teilten die Häfen mit. Auch in der Zukunft erwarten sie, dass die Nachfrage weiter steigt. Daher wird ausgebaut: Noch in diesem Jahr sollen in Kiel sowie am neuen Terminal in der Hamburger HafenCity weitere Anlagen in Betrieb gehen.

Aufwendige Tests bei Containerschiffen

Bei den Containerschiffen steckt die Technik noch in den Kinderschuhen. Im Hamburger Hafen gingen 2024 am Eurogate und dem Terminal Tollersort die ersten Anlagen in Betrieb. 24 Containerschiffe nutzten die Möglichkeit nach Angaben der Hafenanstalt Hamburg Port Authority (HPA) im vierten Quartal – eine winzige Zahl gegenüber den rund 3.700 Schiffen, die 2023 insgesamt im Hafen einliefen.

Die noch geringe Nutzung erklärt die HPA mit der aufwendigen Zulassung. “Jede der Anlagen und jedes Schiff hat andere bauliche Spezifikationen und Anforderungen”, was Zeit und viele Anpassungen in Anspruch nehme, schreibt die HPA. In den kommenden Jahren werde das die Nutzung weiterhin einschränken, bevor die Schiffe regelmäßig Landstrom beziehen könnten.

Rabatt für Hafennutzung – wenn Containerschiffe Landstrom nutzen

Sinnvoll ist der Ausbau dennoch, betont die Hafenbehörde. Indem Schiffe in Hamburg an der Zulassung arbeiten können, fördere der Hafen die Umstellung. Mit den großen Reedereien Maersk, MSC und CMA CGM habe man die Landstromnutzung bereits fest vereinbart. Dazu werden 2025 Anreize geboten: Containerschiffe, die Landstrom beziehen, erhalten in Hamburg einen Rabatt bei den Hafennutzungsentgelten.

Das zunehmende Interesse liegt nicht zuletzt an der EU. Ab 2030 wird die Nutzung von Landstrom für Schiffe mit einer Bruttoraumzahl von mindestens 5.000 Tonnen zur Vorschrift. Das betrifft vor allem Container- und Kreuzfahrtschiffe – vergleichsweise kleinere Schiffe, etwa im Binnen- und Fährverkehr, sind dabei außen vor.

Bremerhaven und Wilhelmshaven planen mit Einstieg

In Bremerhaven, wo bislang nur Binnenschiffe Landstrom erhalten, soll der Ausbau mit gleich fünf Anlagen gelingen. Drei für Containerschiffe sowie jeweils eine für Kreuzfahrtschiffe und Autotransporter werden derzeit vorbereitet und sollen noch 2025 in Betrieb gehen. Für den noch geringen Bedarf sei das vorerst ausreichend, heißt es bei der Managementgesellschaft Bremenports. Man geht davon aus, mit dem Angebot eine erhöhte Nachfrage zu schaffen.

Auch Wilhelmshaven muss als großer Containerhafen bis 2030 tätig werden. Konkret sei die Errichtung für 2028 und 2029 geplant. Man wolle nicht “als Pionier auftreten, sondern von den Erfahrungen der anderen Containerhäfen mit Landstromanlagen lernen”, schreibt die Betreibergesellschaft.

Fährschiffe nutzen auch Landstrom – aber zögerlicher

Auch bei Fährschiffen, die in Nord- und Ostsee zu Inseln oder ins Ausland verkehren, kommt die Technik langsam an. In Kiel können bis zu vier Fährschiffe gleichzeitig Landstrom beziehen – die Fährbetreiber nutzen die Anlagen bereits seit mehreren Jahren, teilt der Hafen mit. 

Die erste Anlage in Lübeck ging Ende 2024 in Betrieb, drei weitere sollen bis 2027 folgen. In Puttgarden auf Fehmarn plant der Fähr- und Hafenbetreiber Scandlines ab 2025 die Versorgung mit Landstrom. Auch in Rostock befinden sich Anlagen in Planung. Das Interesse sei noch verhalten, schreibt der Hafen.

“Teure Übergangslösung”: Häfen in Niedersachsen zweifeln

An den kleineren Häfen in Niedersachsen, etwa in Brake, Cuxhaven, Emden und Stade, hat Landstrom eine geringere Priorität. Zwar gebe es dort Abgabestellen für die Kleinschifffahrt, teilt die Gesellschaft NPorts mit, die für die Infrastruktur der niedersächsischen Häfen zuständig ist. Für Schiffe mit größerer Last gebe es derzeit aber nur in Cuxhaven eine geeignete Anlage. Ein Ausbau sei aufgrund geringer Nachfrage seitens der Reedereien nicht geplant.

Der Bau einer Landstromanlage kostet laut NPorts pro Liegeplatz etwa fünf bis zehn Millionen Euro. Die Kosten müsse man auf die Betreiber der Schiffe umlegen, wozu diese aber nicht bereit seien, gibt die Hafengesellschaft an. Der Landstrom sei “zwei- bis dreimal so teuer” als der an Bord produzierte – zu viel für die Reedereien, die in starkem Wettbewerb miteinander stünden.

Die Häfen in Niedersachsen regen daher einen Richtungswechsel an. “Wir sehen Landstrom als eine teure Übergangslösung”, heißt es bei NPorts. Es sei sinnvoller, die Entwicklung alternativer Antriebsarten finanziell zu fördern. So könne man auch die hohen Emissionen während der Fahrt einsparen. Mit Alternativen wie Flüssiggas oder klimafreundlicherem Marinediesel kann bislang aber nur ein Teil der Emissionen eingespart werden.

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