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Die Lage im Überblick: Kiew und Moskau schmieden an ihren Allianzen

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Auf dem Schlachtfeld in der Ukraine gibt es nur wenig Bewegung. Dafür präsentieren beide Kriegsparteien neue Abkommen, mit denen ihre Partner stärker gebunden werden sollen.

Die Ukraine und Russland bauen ihre jeweiligen strategischen Allianzen aus. Mit dem Iran will Russland heute in Moskau eine nach Kreml-Angaben allumfassende strategische Partnerschaft für die kommenden 20 Jahre schließen. Bereits am Donnerstag hatten sich die Ukraine und Großbritannien in einem Partnerschaftsabkommen über eine vertiefte Zusammenarbeit mit Schwerpunkt auf Rüstung verständigt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bedankte sich beim britischen Premierminister Keir Starmer für Zusagen in Milliardenhöhe bei der Militärhilfe. 

Allein in diesem Jahr gebe London 6,6 Milliarden Dollar – mehr als drei Milliarden Dollar davon seien im Rahmen des am Donnerstag geschlossenen Partnerschaftsvertrags als jährliche Militärhilfe festgeschrieben, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft. Es gebe auch einen geheimen Teil des Vertrags, der der ukrainischen Sicherheit diene, fügte er hinzu, ohne Details zu nennen.

Kriegsmarinen beider Staaten sollen enger kooperieren

In dem strategischen Partnerschaftsabkommen, das Kiew und London über die symbolische Laufzeit von 100 Jahren geschlossen haben, soll neben der Rüstung auch in den Bereichen Wissenschaft, Energie und Handel zusammengearbeitet werden. Das Vereinigte Königreich verpflichtet sich, etwa den Beitrag zur Ausbildung von Spezialisten an westlichen Kampfjets für die ukrainische Luftwaffe zu erhöhen. Auch sollen die Kriegsmarinen beider Staaten vor allem im Schwarzmeerraum enger kooperieren. 

London kommt auch der Dauerbitte Kiews nach einer Stärkung der Flugabwehr nach. So will Großbritannien der Ukraine bis Jahresende 15 speziell für das Land entwickelte Systeme des Typs Gravehawk liefern. Militärexperten zufolge sind diese aber bei weitem nicht so leistungsfähig wie die in den USA gebauten Patriot-Komplexe oder auch das moderne System Iris-T aus Deutschland. 

Russland und Iran vor Ausbau ihrer militärischen Zusammenarbeit

Kremlchef Wladimir Putin und Irans Präsident Massud Peseschkian planen heute nach der Unterzeichnung ihres Abkommens auch eine Stellungnahme vor Medien, wie der Kreml mitteilte. Die Ukraine wirft Iran vor, Russland in seinem Angriffskrieg unter anderem mit Drohnen zu unterstützen.

Zuvor hatte Russland auch mit Nordkorea eine strategische Partnerschaft besiegelt, die unter anderem einen gegenseitigen militärischen Beistand im Fall eines Angriffs durch einen Drittstaat vorsieht. Die iranische Seite teilte vorab laut russischen Staatsmedien mit, dass sie selbst für ihre Sicherheit sorge und deshalb keine Beistandsklausel vorgesehen sei. Allerdings dürften beide Länder ihre militärische Zusammenarbeit deutlich ausbauen.

Ukraine forciert eigenen Rüstungssektor 

Derweil verkündete die ukrainische Regierung eine massive Steigerung ihrer Waffenproduktion im vergangenen Jahr. “Insbesondere wurden etwa 2,5 Millionen Mörser- und Artilleriegeschosse und die gleiche Menge an Munition für Drohnen hergestellt”, erklärte der für Rüstung zuständige Minister, Herman Smetanin. Bestehende Produkte seien verbessert worden und neue hinzugekommen. Im Vergleich zu 2023 habe sich die Rüstungsproduktion insgesamt versechsfacht, behauptete Smetanin – nannte aber keine konkrete Zahlen, um dies zu belegen.

Ziel sei es, im laufenden Jahr 3.000 Raketen und 30.000 weitreichende Drohnen zu produzieren, sagte Smetanin. Etwa ein Drittel der vom Militär eingesetzten Waffen stamme bereits aus einheimischer Produktion.

Selenskyj sagte, in der Ukraine würden Drohnen günstiger als anderswo in Europa hergestellt. Er kündigte weitere Investitionen auch ausländischer Partner in die einheimische Produktion an. Drohnen haben sich seit Beginn des russischen Angriffskriegs zu einer der wichtigsten Waffen auf dem Schlachtfeld entwickelt. Es ist eins der wenigen Felder, auf dem die Ukraine dem hochgerüsteten russischen Militär voraus ist. 

Die Ukraine wehrt sich seit fast drei Jahren mit westlicher Militärhilfe gegen eine russische Invasion. Selenskyj zufolge stammen derzeit fast 40 Prozent der eingesetzten Waffen aus den USA, weitere knapp 30 Prozent aus europäischen Staaten. Auch Russland hat seine Rüstungsproduktion infolge des Kriegs massiv ausgeweitet.

Grünen-Appell an Scholz für Ukraine-Hilfe

In der Debatte über neue Milliardenhilfen für die Ukraine rief die Grünen-Politikerin Ricarda Lang Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum Einlenken auf. Seine Bedingung, zusätzliche Waffenlieferungen im Wert von drei Milliarden Euro an ein Aussetzen der Schuldenbremse zu knüpfen, sei “unredlich”, sagte die frühere Grünen-Vorsitzende in der ZDF-Talkshow “Maybrit Illner”. Sie appellierte an Scholz: “Lassen Sie uns jetzt die drei Milliarden beschließen!”

Die Grünen wollen die Ukraine-Hilfen nicht über neue Schulden finanzieren, sondern über eine “außerplanmäßige Ausgabe” nach Artikel 112 des Grundgesetzes. Scholz beharrt hingegen darauf, zur Finanzierung der Waffenlieferungen die Schuldenbremse auszusetzen.

Probleme im Südosten der Front verschärfen sich

Derweil bleibt die Lage an der Front für die Ukraine angespannt. Karten des ukrainische Militärblogs “Deepstate” zufolge konnten russische Truppen nördlich der Siedlung Welyka Nowosilka vorrücken. Damit droht den dort verbliebenen ukrainischen Verteidigern die Einschließung. Offiziell wurden die Angaben bisher nicht bestätigt. 

Der Generalstab in Kiew sprach in seinem abendlichen Lagebericht lediglich von zehn Gefechten in dem Raum, von dem fünf bereits abgewehrt worden seien, während fünf Kämpfe noch anhielten. Unabhängig überprüfen lassen sich diese Angaben nicht.

Ex-US-General: “Trump will nicht als Verlierer gesehen werden”

Der ehemalige US-General Ben Hodges rechnet damit, dass der designierte US-Präsident Donald Trump gegenüber Kremlchef Wladimir Putin Stärke zeigen wird. “In gewisser Weise bin ich optimistisch und hoffe, dass Präsident Trump nicht als Verlierer gesehen werden möchte. Er möchte nicht derjenige sein, der die Ukraine verliert”, sagte der ehemalige Befehlshaber der US-Streitkräfte in Europa dem “Spiegel” auf die Frage, ob es nun auf Verhandlungen hinauslaufe. Er würde die Dinge, die Trump während des Wahlkampfes gesagt habe, nicht alle für bare Münze nehmen, sagte Hodges. 

Während des Wahlkampfes hatte der Republikaner mehrfach behauptet, er könne den Krieg in der Ukraine innerhalb von 24 Stunden beenden. Sein Ansatz schien darauf abzuzielen, die Konfliktparteien massiv unter Druck zu setzen, um Verhandlungen und einen schnellen Frieden zu erzwingen. Das löste Besorgnis aus, dass er die Unterstützung für die Ukraine kürzen könnte. Nach seinem Wahlsieg äußerte sich Trump zurückhaltender und erklärte mit Blick auf ein mögliches Ende des Krieges, er hoffe, sechs Monate Zeit zu haben.

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