Vielen Sachsen-Anhaltern geht es so: Der Zahnarzt geht in den Ruhestand. Die Praxis schließt. Die Suche nach einem neuen Zahnarzt beginnt. Manche sehen nur einen Ausweg.
In Sachsen-Anhalt haben im vergangenen Jahr 40 Zahnarztpraxen geschlossen, ohne dass es einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin gegeben hat. Das habe Großstädte betroffen, wie auch den ländlichen Raum, sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV), Jochen Schmidt, in Magdeburg. In diesem Jahr erwarte die KZV Sachsen-Anhalt, dass weitere 70 Zahnärzte ausscheiden – die meisten gehen in den Ruhestand. “Wo einmal eine Praxis geschlossen wird, wird nie wieder eine aufmachen”, sagte Schmidt.
Die Suche nach einem neuen Zahnarzt ist schwierig
Die Patienten stehen vor dem Problem, sich eine neue Praxis suchen zu müssen. Allerdings gebe es dafür so gut wie keine Kapazitäten, sagte Schmidt. Der Trend hält schon länger an, über 200 Praxen hätten in den letzten fünf Jahren ihre Türen für immer geschlossen. Die KZV erwartet, dass die Zahnarztdichte im Land bis zum Jahr 2030 immer weiter ausdünnt. Nur in Dessau und Halle sei die Versorgung aktuell gut.
Die Menschen spüren den Mangel
“Die Bürgerinnen und Bürger im Land spüren das Versorgungsdefizit definitiv”, sagte Schmidt. “Früher war es selbstverständlich, dass der Zahnarzt um die Ecke war, heutzutage sind sie froh, wenn sie überhaupt einen Termin bekommen. Und wenn Sie denn einen Termin bekommen, finden sie übervolle Wartezimmer, gestresstes Personal, gestresste Zahnärzte und etliche Patientinnen und Patienten im Wartezimmer, die schon lange auf den Termin gewartet haben und Behandlungen aufschieben mussten.”
Schmerzpatienten stünden morgens zusätzlich in der Praxis. Sie nähmen ein immer größeres Spektrum der Zeit in den Praxen in Anspruch, sagte Schmidt.
Für einige erscheint der Notdienst wie ein Ausweg
Und nicht wenige weichen auf den Notdienst aus. Der Präsident der Zahnärztekammer, Carsten Hünecke, berichtete, dort kämen immer mehr Patienten an, die kein Notfall seien, sondern schlicht keinen Zahnarzt finden. Über 90 Prozent der Praxen können aktuell keine neuen Patienten aufnehmen.
Frustration entlädt sich in den Praxen
Schmidt sagte, der Druck auf die Praxen werde immer stärker. “Die Wertschätzung der Arbeit wird immer geringer. Frustration und Verzweiflung entladen sich immer häufiger in den Praxen, und das gerade bei denjenigen, die noch die Versorgung aufrechterhalten.” Schmidt berichtete von zunehmenden Beschimpfungen, Bedrohungen und körperlichen Auseinandersetzungen.
Was tun gegen den Mangel?
Die Kassenzahnärztliche Vereinigung fordert dringend Maßnahmen zur Nachwuchsförderung. Eine Landzahnarztquote und landeseigene Stipendienprogramme seien nötig, meinte Schmidt in Richtung Landesregierung. Die KZV selbst hat verschiedene Förderprogramme auf den Weg gebracht, zudem gibt es Kooperationen mit Landkreisen und Kommunen.
Aktuell ist den Angaben zufolge jeder zweite Zahnarzt im Land 55 Jahre alt oder älter. Zwölf Prozent der Zahnärzte arbeiten schon über das 65. Lebensjahr hinaus. Die Zahl der Zahnarzt-Praxen liegt aktuell bei 1.062, 2019 waren es 1.274. Die Zahl der Zahnärzte sank im gleichen Zeitraum von 1.387 auf nun 1.157. Die Kassenzahnärztliche Vereinigung geht davon aus, dass im Jahr 2030 die Kapazitäten für die Behandlung von über einer halben Million Menschen in Sachsen-Anhalt fehlen.