1977 sorgte ein “Tatort” über die Liebe eines Lehrers zu seiner Schülerin für Gesprächsstoff – und machte die gerade erst 16-jährige Nastassja Kinski über Nacht zum Star.
Die Szene, die den “Tatort” zum Tagesgespräch machte, ereignete sich schon nach zehn Minuten. Da entblößt die junge, von Nastassja Kinski gespielte Frau am See ihre Brüste. Doch das war gar nicht mal das Schlimmste. Auch nicht, dass die Schauspielerin damals erst 16 Jahre jung war und der Mann, vor dem sie sich entblößte, verheiratet war. Der eigentliche Skandal bestand darin: “Reifezeugnis” zeigte hier am Sonntagabend zur besten Sendezeit die Affäre eines Lehrers mit seiner Schülerin.
“Die Republik beherrschten noch weitgehend die konservativen Wertebewahrer aus der Nachkriegszeit”, erklärte der “Tagesspiegel” später den Skandal. “Nackte Menschen wie die 17-jährige Sina, die verbotenerweise ihren Lehrer liebte, lösten beim Pantoffelkino-Publikum zwischen Käseigel und Amselfelder großenteils Empörung oder rote Köpfe aus.”
Der anfängliche Wirbel zum Trotz hat sich “Reifezeugnis” über die Jahre zu einer der am häufigsten wiederholten Folgen dieser Krimireihe entwickelt. Dabei können die nackten Brüste kaum über die Dürftigkeit des Falls hinwegtäuschen.
Das sah auch die zeitgenössische Kritik so: “Wolfgang Petersens Film lebt nicht von einer sonderlich ausgeklügelten Geschichte, sondern von den bemerkenswerten Psychogrammen der beteiligten Figuren”, schrieb damals die “Frankfurter Allgemeine Zeitung”.
Den Beteiligten hat all die Aufregung jedenfalls nicht geschadet. Im Gegenteil: “Reifezeugnis” war die Initialzündigung für Nastassja Kinskis Karriere: Zwei Jahre später spielte sie bereits in Roman Polanskis “Tess” die Hauptrolle, in den Folgejahren drehte sie mit Francis Ford Coppola, Peter Schrader und Wim Wenders. 1983 erhielt sie das Filmband in Gold für ihre Darstellung der Clara Schumann in dem Biopic “Frühlingssinfonie”.
Den Regisseur dieser Folge sollte es auch nicht mehr lange in Deutschland halten: Wolfgang Petersen machte international von sich reden – und dreht seit Mitte der 80er Jahre erfolgreich in Hollywood.