Home » “Reichsbürger”-Prozess: Mutmaßlicher Putschist will von Gewalt nichts gewusst haben

“Reichsbürger”-Prozess: Mutmaßlicher Putschist will von Gewalt nichts gewusst haben

Von

Ein mutmaßlicher Verschwörer im Stuttgarter “Reichsbürger”-Prozess weist Vorwürfe zurück. Er glaubte zwar an den Umsturz – Gewalt will er aber nie im Sinn gehabt haben.

Er glaubte nach eigener Aussage an böse Mächte, die das Blutelixier von Kindern trinken, er glaubte an eine internationale Allianz, die die Regierung stürzen wird am “Tag X”. Er postete in Chats von Panzern und Krieg. Aber Gewalt, so machte nun ein Angeklagter im Stuttgarter “Reichsbürger”-Prozess klar, habe er nie im Sinn gehabt. Er habe lediglich beim zivilen Wiederaufbau nach dem Umsturz helfen wollen. 

Der mutmaßlichen “Reichsbürger”-Terrorgruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß wird vorgeworfen, einen gewaltsamen Umsturz der Bundesregierung geplant und dabei bewusst Tote in Kauf genommen zu haben. Die mutmaßlichen Verschwörer stehen an drei verschiedenen Orten vor Gericht: München, Frankfurt am Main und Stuttgart. Bei dem Verfahren in Stuttgart geht es um den militärischen Teil der mutmaßlichen Terrorgruppe, der die geplante Machtübernahme mit Waffengewalt durchsetzen sollte. 

Einer der neun Männer nahm nun Stellung zu den Vorwürfen, machte Angaben zu seiner Biografie und zu seiner Rolle in der Gruppe.

Unzufrieden mit Rechtssystem

Der 42-Jährige, der über seinen Anwalt im Oberlandesgericht eine lange Erklärung vorlesen lässt, stellt sich dar als Mann, der mit beruflichen und privaten Problemen konfrontiert war, der unzufrieden war mit der Pandemie-Politik und der Ampel-Regierung. Er sei nicht einverstanden gewesen mit dem deutschen Rechtssystem. Aber beim Gedanken, dass Menschen hätten exekutiert werden sollen bei einem Umsturz, schaudere es ihm, heißt es in der Erklärung. “Ich bin ein Handwerker aus dem Schwarzwald.” 

Er habe nicht in öffentliche Gebäude eindringen wollen, um Regierungsmitglieder festzunehmen oder gar zu töten, ließ der Angeklagte verkünden. Er räumte aber ein, daran geglaubt zu haben, dass ein internationaler Geheimbund, eine sogenannte Allianz, die Regierung in Deutschland stürzen werde. Ihm sei es bei seinem Wirken in der Gruppe um Reuß darum gegangen, den Wiederaufbau von Strukturen vorzubereiten. 

Im Führungsstab des “militärischen Arms”?

“Ich bin sicher zu weit gegangen”, lässt der Angeklagte vortragen. “Ich habe viele Äußerungen getätigt, für die ich mich heute schäme.” Aber das, was in der Anklage stehe, treffe auf ihn nicht zu.

Der Generalbundesanwalt wirft dem Mann vor, sich spätestens im Juni 2022 der Gruppe um Prinz Reuß angeschlossen zu haben. Er soll im Führungsstab des “militärischen Arms” der Gruppe gewesen sein, innerhalb des Stabs für die “Untereinheit für taktische Luftunterstützungsaufgaben” zuständig. Der Angeklagte soll zudem eine Verschwiegenheitserklärung der Gruppe mit ausgearbeitet und im Ortenaukreis Rekrutierungsveranstaltungen organisiert haben. 

Der 42-Jährige räumte vor Gericht ein, an einer Verschwiegenheitserklärung mitgearbeitet zu haben, auch wenn er mit der Androhung einer Todesstrafe darin nichts zu tun gehabt haben will. Die Treffen der Gruppe seien für ihn “zivile Informationstreffen” gewesen, ohne militärische Bedeutung. Man habe eine handlungsfähige Organisation für die Zeit nach dem Umsturz aufbauen wollen. “Es ging nicht um Tötung oder Säuberung, sondern um Strukturschaffung”, heißt es in seiner Erklärung. 

Blackout, Panzer, Tag X

Bei den Treffen geht es seinen Aussagen zufolge um den dritten Weltkrieg, um einen Blackout, den Tag X und ein neues Deutschland. Dass er diese Dinge geglaubt habe, führt der Angeklagte auch darauf zurück, dass er unzufrieden mit seinem Leben in der Phase war. 

Der Mann postete in Chats der Gruppe unter anderem darüber, dass er Leopard-Panzer haben wollte, dass er bewaffnet sei und bereit. Rückblickend stellt er die Äußerungen als entweder sarkastisch oder scherzhaft gemeint dar, als Folge seiner nervlichen Anspannung oder als schlicht missverstanden.

Die Einlassung und Befragung des Angeklagten wird vermutlich einige Prozesstage dauern. Ein Ende des Mammutverfahrens ist nicht in Sicht. Bis zum Urteil gilt für die Angeklagten die Unschuldsvermutung. 

“Reichsbürger” erkennen die Bundesrepublik und ihre Gesetze nicht an. Die Szene ist sehr heterogen, ein Teil wird dem rechtsextremistischen Spektrum zugeordnet.

VERWANDTE BEITRÄGE