In der Causa Thilo Mischke fordert der Verein Pro Quote jetzt “eine öffentliche Entschuldigung und Anerkennung der Fehlbesetzung”. Geht es auch eine Nummer kleiner?
Die Causa Mischke geht in die nächste Runde: Jetzt hat sich Pro Quote zu Wort gemeldet. Der Verein, der sich für Gleichberechtigung und Diversität in den Medien einsetzt, fordert von der ARD “eine öffentliche Entschuldigung und Anerkennung der Fehlbesetzung von Thilo Mischke.” Nötig sei nun “ein Umdenken in der Programmgestaltung”, dabei gehörten “Werte wie Gleichberechtigung, Diversität und Diskriminierungskritik in den Mittelpunkt”. Das sind wichtige und richtige Werte.
Die Forderung nach einer Entschuldigung aber zeigt einen Hang zur Maßlosigkeit, der die ganze Debatte um Thilo Mischke von Anfang an kennzeichnete. Seine Gegner und Gegnerinnen haben ihr Ziel längst erreicht: Mischke wird “Titel, Thesen, Temperamente” (“ttt”) nicht moderieren. Er ist zudem öffentlich degradiert worden und steht seit Tagen im Zentrum eines Shitstorms, auch die ARD ist blamiert. Genügt das nicht?
Der Ruf von Thilo Mischke wird weiter ruiniert
Nach der Debatte der vergangenen Wochen dürften die meisten mitbekommen haben, dass Mischke vor vielen Jahren ein Buch veröffentlichte, das “In 80 Frauen um die Welt” heißt. Darin beschreibt der heute 43-Jährige, wie seine Figur Thilo (unschwer zu erkennen als der Autor selbst) um die Welt reist, um mit möglichst vielen Frauen zu schlafen. Die Frauen im Buch wollten den schnellen Sex offenbar selbst. Zwischendurch überlegt der Thilo aus dem Buch, eine Frau über den Küchentisch zu werfen, die er arrogant findet.
Mischke hat außerdem viel dummes Zeug erzählt. In einem Podcast faselte er davon, dass Vergewaltigung womöglich etwas Urmännliches sei. Vielleicht hat er das Buch von Randy Thornhill und Craig Palmer gelesen. Der Biologe und der Anthropologe behaupten, dass Vergewaltigung ein natürliches Erbe der Evolution sei. Zu Recht werden solche Thesen scharf kritisiert.
Und dennoch schießt die Kritik an Mischke übers Ziel hinaus. Inzwischen melden sich auch Frauen zu Wort, die mit Mischke zusammengearbeitet haben und ihn verteidigen, doch sein Ruf wird weiter ruiniert.
Die Journalistin Rebekka Endler sagte noch nach Mischkes Absetzung, dass es in seinem Buch vor “sexuellen Gewaltfantasien” wimmle. Darunter seien auch “Dinge, die – könnte man unter anderem diskutieren – strafbar sind”.
Die Debatte grenzt an Rufmord
Eine Anfrage dazu, wie genau sie ihre Bemerkung meinte, ließ Endler unbeantwortet. Fest steht: Handlungen sind strafbar, Fantasien sind es nicht. Und Mischke hat sich schon vor einiger Zeit von seinem Werk distanziert und nach eigener Aussage eine Neuauflage verhindert. Für seine Kritikerinnen und Kritiker ist das offensichtlich kein Grund zur Nachsicht.
Schon in der Ankündigung zu ihrem Podcast Feminist Shelf Control über die “Causa TTThilo Mischke”, der auch zur Absetzung des Moderators geführt hat, nannten Endler und ihre Kollegin Annika Brockschmidt Mischke in einem Atemzug mit dem Serienvergewaltiger Dominique Pelicot aus Frankreich. Diese Ankündigung steht noch heute im Netz.
Thilo Mischke Absage “TTT”-Moderator 12.24
Das ist angesichts aller bisher bekannten Fakten absurd und grenzt an Rufmord. Mischke hat nie gesagt: Männer, schon unsere Vorfahren haben Frauen vergewaltigt, lasst es uns ihnen gleichtun.
Mischke wird reduziert auf ein fast 15 Jahre altes Buch. Er wird zu Recht kritisiert für dumme, sexistische Äußerungen. Dabei gerät in Vergessenheit, dass Mischke großartige Fernsehreportagen gemacht hat. Über Neonazis, zum Beispiel (Rechts. Deutsch. National). Er hat einen ruhigen Ton gefunden, mit diesen Leuten zu sprechen und sie zu entlarven. Das macht ihn nicht sakrosankt. Selbstverständlich darf man ihn kritisieren. Man darf ihn auch für unfähig halten, eine Kultursendung wie “ttt” zu moderieren.
Aber muss man nachtreten, wenn er schon am Boden liegt?
Transparenzhinweis: Thilo Mischke arbeitete auch für den stern. Die Autorin hat allerdings nie mit ihm zusammengearbeitet und kennt ihn kaum.