Der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg soll nach dem angekündigten Rücktritt von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) übergangsweise die Regierung leiten. Wie das Büro von Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Mittwoch erklärte, soll der ÖVP-Politiker ab Freitag die Regierungsgeschäfte übernehmen. Demnach soll Schallenberg, der bereits 2021 kurzzeitig Kanzler war, “die Verwaltung des Bundeskanzleramtes fortführen und den Vorsitz der Übergangsregierung übernehmen”.
Grund für den Wechsel an der Spitze der Regierung in Wien ist die Ankündigung Nehammers, nach gescheiterten Koalitionsverhandlungen sowohl als Kanzler als auch ÖVP-Chef zurückzutreten. Das Amt des Außenministers wird Schallenberg auch als Übergangskanzler weiter ausführen.
Der 55-Jährige hatte 2021 nach dem Rücktritt von ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz infolge von Korruptionsvorwürfen schon einmal kurzzeitig die Führung der Regierung in Wien übernommen. In dieser Funktion hatte er in Österreich unter anderem verpflichtende Impfungen gegen das Coronavirus durchgesetzt. Eine gesetzliche Impfpflicht trat zwar nie in Kraft, allerdings spielte die Empörung darüber den extremen Rechten in die Karten, die sich während der Pandemie vehement gegen ein solches Gesetz und weitere Einschränkungen eingesetzt hatten.
Österreich steckt derzeit in einer politischen Krise: Innerhalb weniger Tage scheiterten zunächst Koalitionsgespräche für ein Dreierbündnis zwischen der konservativen ÖVP, den Sozialdemokraten von der SPÖ und den liberalen Neos und dann auch Verhandlungen für eine große Koalition von ÖVP und SPÖ. Daraufhin hatte sich Kanzler Nehammer von seinen Posten zurückgezogen.
Am Montag dann beauftragte Bundespräsident Van der Bellen den Chef der rechtspopulistischen FPÖ, Herbert Kickl, mit der Bildung einer Regierung. Der rechtsradikale Kickl will nun mit der ÖVP Gespräche über eine gemeinsame Koalition führen und dann selbst als erster FPÖ-Politiker in der Geschichte Österreichs ins Kanzleramt in Wien einziehen. Nehammer hatte sich stets gegen eine solche Koalition ausgesprochen – nach seinem Rückzug zeigte sich die ÖVP allerdings offen dafür.
Schallenberg will sich an einer möglichen FPÖ-geführten Regierung nach Angaben der österreichischen Nachrichtenagentur APA nicht beteiligen. Er ist ein studierter Jurist und wurde 1969 in der Schweiz als Sohn eines österreichischen Diplomaten geboren. 1997 trat er selbst in den diplomatischen Dienst ein und arbeitete unter anderem in der österreichische EU-Vertretung in Brüssel, deren Rechtsabteilung er leitete. Nach seiner Rückkehr nach Wien wurde Schallenberg Berater von mehreren ÖVP-Außenministern, darunter auch Kurz, bevor er 2019 selbst das Amt übernahm.
Die rechtspopulistische FPÖ war bei der Wahl im September mit 28,85 Prozent der Stimmen erstmals stärkste Kraft im Parlament geworden. Die ÖVP erzielte 26,3 Prozent, gefolgt von der sozialdemokratischen SPÖ mit 21,1 Prozent.