Nach seinem Raketenschuss in eine Berliner Wohnung sitzt Atallah Younes in U-Haft. Der Influencer aus dem Westjordanland meint, er habe schon alle Probleme mit dem Wohnungsbesitzer geklärt.
Fünf Menschen sind an Silvester in Deutschland durch Feuerwerkskörper gestorben. Für das größte Aufsehen aber sorgte ein Vorfall, bei dem glücklicherweise niemand zu Schaden kam. Seit Tagen wird über den arabischen Influencer Atallah Younes diskutiert, der eine Rakete in eine Berliner Wohnung geschossen hat.
In der Silvesternacht veröffentlichte Younes auf seinem Instagram-Account ein Video: Darin ist zu sehen, wie er auf einer Straße in Berlin-Neukölln vor einem Haus steht und eine Silvesterrakete zündet. Der Feuerwerkskörper fliegt durch eine Fensterscheibe im dritten Obergeschoss eines Wohnhauses. Eine dumpfe Explosion ist zu hören. Das Zimmer ist für einen Moment kurz erleuchtet, dann ergreift Younes die Flucht, das Video bricht ab.
Mittlerweile hat der Influencer, dem auf Instagram mehr als 300.000 Menschen folgen, den Clip wieder gelöscht. Doch das Video und Kopien davon haben sich rasend schnell auf Social Media und durch Medienberichterstattung verbreitet. Auch die Polizei wurde darauf aufmerksam. Am Samstag wurde Younes am Flughafen in Berlin von Bundespolizisten festgenommen, als er in die jordanische Hauptstadt Amman fliegen wollte. Gegen den 23-Jährigen ist Haftbefehl erlassen worden, er sitzt jetzt in der JVA Moabit in Untersuchungshaft.
“Was will die Polizei denn von mir?”
Younes kommt aus dem Westjordanland und hielt sich nach eigenen Angaben nur etwa zwei Wochen als Tourist in Deutschland auf. Er habe hier in verschiedenen Städten Videos für seine Social-Media-Kanäle gedreht. “Ich wollte einfach nur Silvester feiern”, erklärte er in einem Interview, das er “Zeit Online” vor seiner Festnahme gab. Die Aktion tue ihm leid: “Ich wollte niemanden absichtlich verletzen.” Nach der Veröffentlichung des Videos habe er Todesdrohungen und rassistische Beleidigungen erhalten.
Doch dass seine Tat strafrechtliche Konsequenzen haben kann, schien den Araber zu überraschen. In dem Gespräch erweckt er den Eindruck, als würde Younes seinen gefährlichen Raketenschuss weiter auf die leichte Schulter nehmen. “Was will die Polizei denn von mir? Denken die, ich bin ein Flüchtling?”, fragte er.
Atallah Younes droht mindestens ein Jahr Haft
Da Younes als Tourist über keinen festen Wohnsitz in Deutschland verfügt, sah die Berliner Staatsanwaltschaft eine Fluchtgefahr als gegeben an. Zudem hatte er seine Ausreise in dem Interview angekündigt. Ihm werden versuchte schwere Brandstiftung, versuchte gefährliche Körperverletzung und Sachbeschädigung vorgeworfen. Der Influencer habe mit seiner Tat “ein größtmögliches Publikum zu erreichen” versucht, erklärte die Staatsanwaltschaft und sprach von einer “rücksichtslosen” Gefährdung von Menschenleben.
Sollte es zu einem Prozess kommen, muss der 23-Jährige aus dem Westjordanland eine Haftstrafe befürchten. Auf schwere Brandstiftung steht eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr, bei gefährlicher Körperverletzung sind mindestens sechs Monate zu erwarten. Younes will sich mit einer Haftprüfung gegen die Untersuchungshaft wehren. Laut Staatsanwaltschaft hat er sich bislang noch nicht zu den Vorwürfen geäußert. FS Feuerwerk weltweit 10:52
Influencer entschuldigt sich bei Wohnungsinhaber
Im “Zeit”-Interview bestand Younes darauf, sämtliche Probleme mit dem Inhaber der Wohnung – einem kurdischen Libanesen – bereinigt zu haben. Auf seinem Instagram-Account postete er ein Video, in dem er mit dem Wohnungsbesitzer auf einem Sofa sitzt und, wie er sagt, “um Vergebung bittet”. Während des Videos sitzt der Mann regungslos daneben. “Wir haben das persönlich geklärt”, behauptet Younes. “Von Angesicht zu Angesicht.” Für ihn scheint die Sache damit erledigt. In arabischen Staaten ist es nicht unüblich, Rechtsstreitigkeiten zwischen Privatpersonen außergerichtlich beizulegen, häufig gibt es dabei eine Form der Wiedergutmachung.
Als die Rakete durchs Fenster flog, befanden sich der 33-jährige Wohnungsinhaber und seine Familie in der Wohnung. Glücklicherweise warf der Mann die brennenden Überreste schnell aus dem Fenster, so konnte das Feuer sich nicht weiter ausbreiten. Verletzt wurde niemand, lediglich einige Möbel in dem Zimmer wurden beschädigt.
In Deutschland hat der Fall die Diskussion um ein Böllerverbot erneut angeheizt. Eine entsprechende Petition der Gewerkschaft der Polizei fand 1,4 Millionen Unterstützer.
Quellen: Atallah Younes auf Instagram,“Zeit Online”, “Bild”, Nachrichtenagentur DPA, Generalstaatsanwaltschaft Berlin