Jeff Bridges wird 75. Ob als “Dude” oder Fotografie-Enthusiast – der Schauspieler bleibt ein Role-Model für Gelassenheit und authentisches Leben.
Der Mann hat eine wunderbare Garage. Kann sein, dass da irgendwann auch mal ein Auto stand. Aber wie das so ist in Amerika, Männer bauen sich ihre eigenen Nester dann gerne in Garagen. Weil Frauen sie da in den Öl- und Schrauben-Paradiesen in Ruhe lassen und sie ihren eigenen Kram, Angelzeug, zerlegte Motoren oder Sportkrempel um sich sammeln und lieben können. Bei Jeff Bridges waren es vor zwei Jahren Fotografien und Kameras. Er saß da in seiner Garage in einem Lehnstuhl, rote Decke, Beine hoch, Haare auf dem Kopf mächtig und grau, Bart im Gesicht auch mächtig und grau, eigentlich völlig zugewachsen. Dass er sprach, hörte man, aber sah es nur weil sich die Bartwiese öffnete und seine Zähne schimmerten. Dazu die hellen blauen schmalen Augen, die aus dem Dickicht leuchteten wie Tümpel im arktischen Eis.
Im Hintergrund viele gerahmte Fotos an der Wand, und wenn man genau hinsah, neben ihm und auf den Regalen ein paar Kameras und Objektive. Das Gespräch mit ihm fand noch in den späten Zeiten von Corona statt, deshalb war man nicht nach Santa Barbara nördlich von Los Angeles gefahren, sondern unterhielt sich am Bildschirm, was trotz der großen Distanz auch Vorteile haben kann. Bei Jeff Bridges war der Vorteil, in Ruhe im eigenen Revier zu sitzen. Und so wurde es, schönes altes Wort, gemütlich.
Jeff Bridges: Der “Dude” ist seine berühmteste Rolle
Und ein wenig lehrreich, denn diesen alten Mann Bridges vor sich zu haben, hieß eben auch, sich an die Momente im eigenen Leben zu erinnern, die er begleitet hat. Im Kino. Als Darsteller eines Lebens, das man gerne selbst geführt hätte, “Role-Model”, wie man so sagt. Fing schon in der Kindheit an, im Kurbad-Kino an der Nordsee, sich damals reingeschmuggelt, weil man eigentlich noch zu klein für “King Kong” war. Und dann schon etwas gegruselt, als die kaum bekleidete Jessica Lange da in der riesigen Hand des Gorillas zitterte, aber dann kam ja er und rettete sie. Jeff Bridges, der den Rest der Geschichte damit verbrachte, mit der, wie gesagt wenig bekleideten Lange vor King Kong zu fliehen, am Ende aber auch King Kong vor den Menschen zu retten. Frauenretter und Tierschützer, Tarzan war ja so ähnlich, aber eben im albernen Lendenschurz. Jeff sah so aus, wie wir mal aussehen wollten. Gut, aber nicht eitel. Gesund, aber kein Muskelberg. Und wenn er sprach, immer nur das Wesentliche. Das gefiel uns, das könnte ein Bauplan Mann sein. PAID Interview Jeff Bridges 14.29
So ging das weiter, unser Leben mit ihm. Es reichte, alle paar Jahre mal ins Kino zu gehen und sich dieses Bauplans Mann mit ihm zu versichern. “Tucker” war so ein Auftritt, ein Mann, der gegen den Widerstand der Industrie das moderne und vor allem sichere Auto erfinden wollte. Und gleich danach ein Meisterwerk wie “Die Fabelhaften Baker Boys”, in dem Bridges den Barpianisten Jack Baker spielt, der sich in die Sängerin – wunderbarer Name – Susie Diamond, gespielt von Michelle Pfeiffer, verliebt, die sich in einer ikonischen Szene zu ihm auf das Klavier legt. Zum Frauenretter und Tierschützer vervollständigte sich unser Männerbauplan von da an um den Klavierspieler. Es wurde, Jeff sei Dank.
Inwieweit seine wohl berühmteste Rolle als Bowling-Narr “Dude” in “The Big Lebowski”, einer Crime-Komödie der Coen-Brüder mit Starbesetzung, dem Männerbauplan half, war dann Ansichtssache. Die einen mochten den anarchischen Charme, die anderen sahen es nur noch als die Fantasie, im eigenen Leben mal die Sau rauszulassen. Der “Dude”, ein liebenswert chaotischer Flegel mit Sprüchen wie “das ist hier nicht Vietnam, das ist Bowling. Hier gibt es Regeln”, wurde Jeff Bridges Markenzeichen, und die Dude-Weisheiten gehören bis heute zum Repertoire der Kinogeschichte. Und Bridges selbst akzeptiert bis heute, dass er oft noch als “Dude” angesprochen wird. Ob er es wirklich mag, darüber schweigt der Bart.
Berühmter Vater und Bruder
Jeff Bridges, der mit seinem Vater Lloyd Bridges einen sehr berühmten Hollywood-Vater und mit seinem Bruder Beau Bridges auch noch einen schauspielenden Bruder hat, macht keinen Hehl daraus, dass ihm die Familie und vor allem der Vater beim Start ins Schauspieler-Leben geholfen haben. Aber weniger als Protegé, sondern eher als Privileg, schon als Kind in der Welt von Kameras, Drehbüchern und Film-Sets aufgewachsen zu sein, aber “können muss man es dann schon selbst”, wie es der Oscar- und Golden Globe-Preisträger in seiner Garage sagte.
Es sind über 70 Filme, in denen Jeff Bridges seit 1951, damals als Zweijähriger in einer Nebenrolle, mitspielte. Seine Kunst war und ist, jeden Film mit seiner Präsenz immer unaufdringlich zu vervollständigen. Er war nie einer, der zum Overacting neigte; nie einer, der alles andere auf der Leinwand verdrängte, sondern immer den Blick der Kameras durch sein Schauspiel auf sich zog. Und er war und ist ein Hollywood-Star ohne Getöse. Keine Skandale, keine Drogen und seit über 40 Jahren verheiratet. Und, was noch dazu kommt, einer, der sehr gelassen einfach älter wird, was für den Jungen aus dem Kurbad-Kino, der auch älter geworden ist, zu dem Gefühl wird, dass Jeff damals das richtige Role-Model war.
Besonders, und das muss hier noch erzählt werden, als es vor vier Jahren zur größten und gefährlichsten Krise in Bridges Leben kam. Es war bei den Dreharbeiten seiner TV-Serie “The Old Man”, als er sich mit Corona infizierte und nicht nur schwer erkrankte, sondern gleichzeitig bei ihm auch noch Lymphdrüsenkrebs festgestellt wurde. “Wir sind hier nicht in Vietna… Sprüche aus Filmen der Coen-Br… (2069082) 09.21
Dem stern sagte er danach in seiner Garage: “Ich war auf einmal mit meiner eigenen Sterblichkeit konfrontiert, und was mir da durch den Kopf ging, war interessant. Denn ich stand der Sache genauso gegenüber wie allen anderen Problemen, die ich so im Leben hatte. Und wenn Sie alle Erfahrungen und meinetwegen auch Spiritualität zusammennehmen, die Sie so haben, dann ist es auf einmal ein Problem wie alle anderen auch. Ich mein, die größten Probleme im Leben sind doch Geburt und Tod. Geboren werden, können Sie sich vorstellen, was für eine Herausforderung und Problem das war? Und Sie haben das auch hinbekommen. Und den Tod vor Augen zu haben, ist dann nicht wirklich etwas Neues, es ist nur intensiver, und Sie suchen nach allen Strategien und Erfahrungen, die Sie haben, damit umzugehen.”
Jeff Bridges, der am 4. Dezember 75 wird und dem es gut geht, sprach in seiner Garage dann noch sehr lange über seine Leidenschaft für die Fotografie. Sie hat für ihn damit zu tun, Momente des Lebens auf einem Bild festzuhalten, bevor sie aus der Erinnerung entwischen. Fotografie, sagte er, stelle die Erinnerung mit Licht und Schatten auf feste Füße. “Es geht darum, das Ergebnis loszulassen und den Moment zuzulassen”, wie er sagt. Und dafür benutzt Bridges eine alte, sehr spezielle Kamera, die “Widelux”-180 Grad Panorama, eine Breitwand-Kamera sozusagen, erfunden 1958 und seit 2000 nicht mehr hergestellt. Und das soll sich ändern, 2025 will Jeff Bridges mit der “WideluxX” diese Kamera in moderner Form wieder auf den Markt bringen. Männer, die alles richtig machen.