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Der Fall Marius Borg Høiby : Skandinavische Royals: Es geht ein Riss durch Bullerbü

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Beim Fall Marius Borg Høiby ist gutes Krisenmanagement gefragt. Die Königshäuser von Norwegen, Schweden und Dänemark hatten das drauf – doch nun scheren die Norweger aus.

Mit den skandinavischen Königshäusern verhielt es sich ein bisschen wie mit Bullerbü, dem Dorf von Astrid Lindgren. Da waren die drei Höfe, der dänische, der schwedische und der norwegische, und auf den Höfen lebten nette Königskinder, die sich trafen und zusammenhielten. Die Luft war gut, die Freiheit groß, und hatte mal jemand ein Problemchen, waren meist eine Königin oder ein König da, um den Kindern zu helfen. 

So wuchsen eine Thronfolgerin und zwei Thronfolger heran, von denen der eine inzwischen Regent ist: Victoria von Schweden, Haakon von Norwegen und Frederik, der König von Dänemark. Die drei sind eher für Bullerbü-Geschichten als für Skandale bekannt. Sie kämpften dafür, Bürgerliche zu heiraten, feierten rührende Hochzeiten und bekamen entzückende Kinder. 

Mette-Marit und Haakon küssen sich 2001 bei ihrer Hochzeit innig
Welch schönes Happy End! Mette-Marit und Haakon küssen sich 2001 bei ihrer Hochzeit innig
© IMAGO/TT

Haakons Gattin Mette-Marit aber brachte einen Sohn mit in die Ehe, der den norwegischen Hof nun in Richtung Jo-Nesbø-Krimi rückt: Marius Borg Høiby wurde dreimal festgenommen. Ihm wird Vergewaltigung vorgeworfen, von fünf Opfern ist inzwischen die Rede. Und plötzlich blicken alle nach Norwegen, nicht nur die Dänen und die Schweden, und fragen sich: Was ist da bei den Royals los? 

Der Fall Marius Borg Høiby erinnert an die Skandale der Windsors

Für Skandale dieses Ausmaßes waren früher ja vor allem die Windsors zuständig. Bei denen gab es Ehebruch mit abgehörten Telefonaten (Charles und Diana), Auftritte im Nazikostüm (Prinz Harry) oder Verbindungen zu einem verurteilten Sexualstraftäter (Prinz Andrew und Jeffrey Epstein). Aber bei den hyggeligen Skandinaviern? 

Deren Monarchien einte lange, unter dem königlichen Radar zu existieren. Der Fokus lag stets auf der Queen und ihren Nachkommen. Elizabeth II. war die Chefin des Commonwealth und über Jahrzehnte die berühmteste Frau dieses Planeten. Charles und seine Geschwister lieferten reichlich Stoff für den Boulevard. Die Queen war “not amused”, der Rest der Welt schon: Eine bessere royale Seifenoper hat es nie gegeben – hübsch verfilmt auch in “The Crown”. 

Die schwedische Königsfamilie posiert zum Geburtstag der Kronprincessin
Schwedens künftige Königin: Victoria (r.) an ihrem 47. Geburtstag im Juli mit ihrem Mann Daniel Westling und den gemeinsamen Kindern Oscar und Estelle
© Albert Nieboer

Das heißt natürlich nicht, dass bei den skandinavischen Royals immer alles Friede, Freude, Smørrebrød war. Doch sie haben ihre Krisen alle immer ziemlich gut gemanagt, meist mit einem eleganten Angriff nach vorn. Da war zum Beispiel die Magersucht von Kronprinzessin Victoria: Mit 18 war die Schwedin sehr unglücklich, sie haderte mit sich und ihrer Rolle, fragte sich, wer ihre Freunde waren, wem sie vertrauen konnte. Bald bestand sie nur noch aus Haut und Knochen und einem Schumi-Kinn. 

Die Medien spekulierten, doch dann sagte der Hof: Ja, wir haben hier ein Problem. Victoria ging für eine Zeit in die USA, bekam professionelle Hilfe. Sie lebte in New York, anonym, genoss ihr Leben als Unbekannte, und als sie nach Stockholm zurückkehrte, stand eine starke, stolze Frau vor den Schweden – die ihre Victoria seither verehren, so aufrecht und klar geht sie durchs Leben. Victoria ließ sich nicht davon abbringen, ihren Fitnesstrainer Daniel Westling zu heiraten. Wer hätte sie auch daran hindern sollen – ihr Vater Carl Gustaf, der einst Silvia Sommerlath aus Heidelberg zu seiner Königin machte? Eine Frau aus dem deutschen Volke, die ihm bei den Olympischen Spielen 1972 in München als Hostess begegnete. 

Im Juni 1976 heiratet König Carl Gustaf von Schweden eine Deutsche – Silvia Sommerlath
Keine Berührungsängste mit Bürgerlichen: Im Juni 1976 heiratet König Carl Gustaf von Schweden eine Frau aus dem deutschen Volke – Silvia Sommerlath
© action press

Der König hatte aus anderen Gründen mit Daniel seine Probleme. Sein Beruf und seine mangelnde Allgemeinbildung sollen der Grund dafür gewesen sein, dass Daniel Westling zunächst nicht willkommen war bei Königs in Stockholm. Die Kronprinzessin aber hielt zu ihrem Daniel, und sie kann offenbar sehr dickköpfig sein. 

Eine Eigenschaft, die auch die Dänen von ihrer langjährigen Königin kennen: Margrethe wollte vieles sein, aber nicht nur die Tante mit dem Thron. Die kettenrauchende Mutter von Frederik, die in diesem Februar nach 52 Jahren abdankte, illustrierte Bücher (die dänische Version von “Herr der Ringe” etwa) und ließ es sich bis heute nicht nehmen, Bühnenbilder und Kostüme für das Theater zu entwerfen. Sie bat aber auch mal ihr Volk um Hilfe, als sie nach ihrem entlaufenen Dackel suchte. Die Dänen mögen sie für ihre Volksnähe. Als Frederik früher in Interviews klagte, seine Mutter sei bei ihrer Erziehung sehr streng gewesen, nahmen die Dänen ihm das übler als ihr.

Mary wirkte, als hätte man ihr einen Prinzessinnen-Chip eingepflanzt

Damals ging es ihm wie Victoria, er fühlte sich von seinem Kronprinzen-Dasein erdrückt. Doch dann lernte Frederik während der Olympischen Spiele 2000 in Sydney die Australierin Mary Donaldson kennen. Sie studierte Jura, jobbte in einer Werbeagentur und war so rein, dass man glaubte, den Putzlappen hinter ihr wischen zu hören. Mary fügte sich perfekt in ihre Rolle, sie wirkte mitunter, als hätte man ihr einen Prinzessinnen-Chip eingepflanzt. 

Der dänische König Frederik X. mit Kronprinz Christian beim unterzeichnen von Dokumenten
Sie guckt ein bisschen wehmütig: Königin Margrethe schaut im Januar auf die Abdankungserklärung, die sie unterzeichnet hat. Am Tisch sitzt der neue König der Dänen – ihr Sohn Frederik
© Mads Claus Rasmussen

Für die rührseligen Momente sorgte Frederik, (Tränen bei der Hochzeit, Tränen bei den Geburten der Kinder), was sich aber durchaus gut ergänzte: Mary und Frederik treten stets harmonisch auf. Gerüchte, die im November 2023 aufkamen, dass Frederik mit einem mexikanischen Ex-Model fremdgegangen sei, konnten das Bild kaum trüben. Auch weil Margrethe ihm vertraute. Die Königin verkündete kurz darauf: Ich übergebe das Amt an meinen Sohn! Bei Frederiks Krönung waren ihm einer Umfrage zufolge 84 Prozent der Dänen wohlgesonnen. STERN PAID Trond Noren Isaksen 20.00

Und auch die Norweger schätzen ja eigentlich ihr Königshaus. Die Umfragewerte kippten, als Kronprinz Haakon Mette-Marit heiraten wollte, eine Frau aus dem Partyvolk. Die hatte viel gefeiert und ein uneheliches Kind, dessen Vater wegen Kokainbesitzes vorbestraft war. Haakon ging in die Offensive und bat das Volk, Mette-Marit nicht für Dinge zu verurteilen, die sie vor Jahren getan habe. In seinen Worten war so viel Liebe, dass die Norweger dahinschmolzen. Die Geschichte “Kronprinz heiratet alleinerziehende Mutter” war ja auch zu schön, ein modernes Märchen! 

Die norwegische Königsfamilie posierte für Weihnachtsfotos
In der Weihnachtsbäckerei: Als Zehnjähriger posiert Marius Borg Høiby (l.) mit der Kronprinzenfamilie und Königin Sonja für Fotos – beim Kekse verzieren
© Lise Aserud

Seit ihrer Hochzeit 2001 hat Mette-Marit sich nichts zuschulden kommen lassen. Sie brachte mit Ingrid Alexandra eine Thronfolgerin zur Welt, bald darauf folgte der Sohn Sverre Magnus. König Harald entschied, dass Marius Borg Høiby, Mette-Marits ältester, auch ein Mitglied der königlichen Familie sei. Er war auf offiziellen Familienfotos zu sehen, nahm aber keine offiziellen Aufgaben wahr. 2017 bat Marius dann, abseits des Rampenlichts zu leben. Fortan nahm er höchstens an den Konfirmationen und Feiern zum 18. Geburtstag seiner Geschwister teil. Was sonst mit ihm los war, wann er Probleme mit Drogen bekam und Frauen gegenüber auffällig wurde – das mag seine Familie wissen, die Öffentlichkeit wusste es nicht. Nun kommt es wohl zum ersten Mal dazu, dass ein Mitglied der Royals eines Verbrechens angeklagt wird.  

Viele wünschen ihm, dass er abtritt wie Königin Margrethe

Die königliche Familie schweigt bisher dazu. Sie könnte Marius aus der Schusslinie nehmen, ihn in eine Klinik bringen, doch nichts dergleichen ist bisher geschehen. Norwegische Adelsexperten wundern sich, wie wenig souverän mit der Angelegenheit umgegangen wird. Für einen Angriff nach vorn ist es zu spät, die Sache längst zu heikel, juristisch. Niemand möchte sich vorwerfen lassen, er wolle Meinungen beeinflussen. 

Das Ganze geschieht in einer Zeit, in der das Königshaus ziemlich angeschlagen scheint. Da war die umstrittene Hochzeit von Haakons Schwester Märtha Louise mit ihrem Freund Durek Verrett, einem bizarren Schamanen. Dann ist da König Harald, dem im Frühjahr ein Herzschrittmacher eingesetzt wurde und der immer weniger Termine wahrnehmen kann; und wenn, dann meist sitzend.

Er ist jetzt 87, viele würden ihm wünschen, dass er abtritt wie Königin Margrethe von Dänemark. Doch Harald vertritt den Standpunkt, er müsse seinem Land bis zu seinem Tod treu bleiben. Und wie sollte er seinem Sohn Haakon das Amt übergeben, wenn dessen Stiefsohn vor Gericht steht? Es sieht im Moment nicht nach einem Happy End wie in Bullerbü aus.

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