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Sanktionen: Wenn der Rubel fällt: Was die Währungskrise für Russlands Wirtschaft heißt

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Der Rubel stürzt ab, die Zinsen steigen rapide – die Untiefen der Kriegswirtschaft in Russland werden immer deutlicher. Auslöser für den Crash war eine Entscheidung in den USA.

Was geschieht auf dem russischen Devisenmarkt?

Mitte der Woche kam es zu einer raschen und massiven Abwertung der russischen Währung im Verhältnis zum Dollar. Der Rubel brach innerhalb kurzer Zeit um mehr als 25 Prozent ein und überschritt den seit Langem gehaltenen Wechselkurs von 100 Rubel zum Dollar deutlich. Zugleich verlor er auch im Vergleich zum chinesischen Yuan – und damit zu einer Währung, die sich seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Außenhandel zunehmend zu einem Ersatz für westliche Devisen entwickelt hat. Insgesamt kam es zu den heftigsten Währungsturbulenzen in Russland seit dem Angriff auf die Ukraine im März 2022. 

Warum stürzt der Rubel ab?

Unmittelbarer Auslöser war die Entscheidung der US-Behörden, die Finanzsanktionen gegen Russland in einer weiteren Runde zu verschärfen. Betroffen davon ist auch die Gazprombank, eines der letzten Institute, die noch Zugang zu internationalen Finanztransaktionen haben, um Energiegeschäfte mit europäischen Kunden abwickeln zu können. Die Sanktionen gegen die Gazprombank und weitere Akteure erschweren es russischen Exporteuren, ihre Erlöse in Devisen ins Land zu holen. Sie trocknen damit den Zufluss von Dollar und Euro nach Russland aus.

Zudem treffen die jüngsten Schritte der USA Russland in einer empfindlichen Lage. Das Land hat im Zuge des Kriegs seine Ausgaben für Waffenimporte aus dem Ausland ausgeweitet, wofür es auf Devisen angewiesen ist. Darüber hinaus müssen die Exporteure aktuell ihre Steuern bezahlen, wofür sie in der Regel Fremdwährung veräußern – zu denen es allerdings nur noch wenig Zugang gibt. “Infolge der verhängten Sanktionen sind die Kanäle für Dollar- und Euro-Liquidität in das russische System zerstört worden”, sagte Denis Popov von der russischen PSB-Bank der Moskauer Wirtschaftszeitung “Kommersant”.

Was unternimmt die russische Zentralbank gegen die Abwertung?

Im Grunde verfügt die russische Zentralbank unter ihrer erfahrenen Chefin Elvira Nabiullina über ausreichend Devisen, um sich dem Verfall des Rubels entgegenzustemmen. Sie kündigte entsprechende Schritte auch in diesem Fall an, ohne bisher allerdings entscheidend in Aktion zu treten. Immerhin stellte die Zentralbank den Kauf von Fremdwährungen nach eigenen Angaben bis Ende des Jahres 2024 ein, um die Märkte zu beruhigen. Die Frage ist, ob das reichen wird, solange das Institut nicht aktiv einschreitet, um den Rubel zu stützen.

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Für Irritationen sorgte Finanzminister Anton Siluanow, der sich in einem Auftritt auf einer Konferenz eher positiv über den Rubel-Absturz äußerte. “Ich sage nichts dazu, ob der Wechselkurs gut oder schlecht ist”, so Siluanow in Reaktion auf eine Frage des Moderators. “Ich sage nur, dass der Wechselkurs sehr förderlich für die Exporte ist.” Denkbar ist auch, dass die Regierung in Moskau damit rechnet, dass ein schwacher Rubelkurs es erleichtert, den Haushalt auszugleichen, weshalb eine Abwertung im Interesse des Finanzministeriums liegen könnte.

Was bedeutet die Rubelkrise für die russische Volkswirtschaft?

Die Lage der russischen Wirtschaft ist allgemein nicht stabil – und sie wird durch einen schwachen Rubel nicht besser. Zwar nahm das Bruttoinlandsprodukt 2023 um 3,6 Prozent zu und dürfte auch im laufenden Jahr deutlich wachsen. Allerdings ist dies das Ergebnis eines durch die Kriegsausgaben getriebenen Stimulus, mit entsprechenden Folgen für die Preise. Offiziell gibt die Zentralbank eine Inflationsrate von 8,5 Prozent an, allerdings ist das eine Zahl, an der Experten erhebliche Zweifel hegen. Die Währungshüter stemmen sich dieser Preissteigerung seit Monaten mit einer ganzen Reihe von Zinsanhebungen entgegen. Inzwischen hat der Leitzins eine Rate von 21 Prozent erreicht, im Markt wird damit gerechnet, dass dieser Wert noch steigen könnte.

Das Problem: Der Kreditaufnahme, die eigentlich beschränkt werden sollte, tut der hohe Zins bisher so gut wie keinen Abbruch. Die russische Ökonomin Alexandra Prokopenko, die früher für die Zentralbank arbeitete, hat beobachtet, dass sich stattdessen die Struktur der Kreditaufnahme ändert: Statt zu festen Zinssätzen werden immer mehr Schulden zu variablen Sätzen aufgenommen – offenbar in der Hoffnung, dass die Zentralbank die Zügel irgendwann wieder lockert. Das allerdings könnte sich als Trugschluss erweisen – mit der Folge, dass sich die Unternehmen immer stärker verschulden. “Es ist ein Teufelskreis”, schreibt Prokopenko in einer aktuellen Analyse.

Werden die Sanktionen jetzt zum Problem für Russland?

Bisher hat noch jede Sanktionsrunde der USA und der EU in Russland eine ähnliche Reaktion hervorgerufen: Es kam zu einem kurzfristigen Schock, bevor sich die russischen Banken und Industriebetriebe anpassten und neue Wege fanden, sich zu finanzieren oder Waren zu importieren. Allerdings ist unbestritten, dass es für alle russischen Akteure immer schwieriger wird, auf den globalen Märkten aktiv zu werden. Dafür sorgen nicht nur die direkten Sanktionen gegen russische Finanzinstitute, sondern auch die sekundären Sanktionen der USA, von denen theoretisch jeder betroffen ist, der kriegswichtige Handelsgeschäfte mit Russland erleichtert.

Wirkliches Wachstum zeigt ohnehin seit Langem nur noch die russische Kriegswirtschaft, die durch Waffenproduktion und Fördergelder für die Familien der Soldaten befeuert wird. Inzwischen kommen mehrere Entwicklungen zusammen, die dafür sorgen dürften, dass sich das Wachstum im kommenden Jahr deutlich abschwächt: die Finanzsanktionen, ein niedriger Ölpreis und eine Stagnation der zivilen Wirtschaft.

Die Zentralbank rechnet daher für das kommende Jahr nur noch mit einem BIP-Wachstum zwischen 0,5 und 1,5 Prozent, was für den zivilen Sektor de facto einer Rezession gleich kommt. “Es gibt immer mehr Signale, wonach das Wachstum der russischen Wirtschaft zurückgeht”, so Prokopenko. Es zeichne sich eine Stagflation ab, also “eine Kombination aus niedrigem Wachstum und hoher Inflation”.

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