Der im August in Berlin festgenommene Palliativmediziner soll noch deutlich mehr Menschen getötet haben als zunächst angenommen. Die Auswertung von Patientenunterlagen und gerichtsmedizinische Untersuchungen hätten zu dem Verdacht geführt, dass der 40-Jährige noch vier weitere Patientinnen und Patienten getötet habe, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am Donnerstag mit. Damit steigt die mutmaßliche Opferzahl auf acht. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte bessere Schutzmechanismen.
Zusätzlich zu den vier bislang bekannten Opfern soll der Arzt noch zwei Männer und zwei Frauen getötet haben. Laut Ermittlern soll der Mediziner, der bei einem Pflegedienst angestellt war, ihnen jeweils ein tödliches Medikamentengemisch verabreicht haben, ohne dass es dafür eine medizinische Indikation gab.
So soll er im Juni 2022 eine 70-jährige Frau im Stadtteil Tempelhof getötet und anschließend ein Feuer in ihrer Wohnung gelegt haben, um die Tat zu vertuschen. Im Januar dieses Jahres tötete er laut Staatsanwaltschaft einen 70-jährigen Mann in Neukölln, im April eine 61 Jahre alte Frau in Schöneberg und wenige Wochen später einen 83-jährigen Mann in seinem Hospizzimmer in Köpenick.
Die ursprünglich ermittelten vier Taten erfolgten im Juni und Juli dieses Jahres. Auch bei jenen Fällen hatte der Arzt anschließend Brände in den Wohnungen gelegt. Schon im Sommer hatten die Ermittler angekündigt, noch weitere Todesfälle zu prüfen. Dafür wurden in zwei Fällen auch mögliche Opfer exhumiert.
Der Mediziner wurde im August festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Ursprünglich wurde gegen ihn wegen Totschlags und Brandstiftung ermittelt. Aufgrund zwischenzeitlich erlangter Erkenntnisse geht die Staatsanwaltschaft nach eigener Aussage aber mittlerweile von Mord aus. Der Beschuldigte habe “kein über die Tötung der Personen hinausgehendes Motiv gehabt”, erklärte sie nun. Das Fehlen eines Tatanlasses erfülle das Mordmerkmal der Mordlust.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte anlässlich der Ermittlungen die Etablierung eines sogenannten Whistleblower-Systems für Angehörige und medizinisch-pflegerische Beschäftigte, um “tödliche Algorithmen” zu identifizieren. Außerdem müssten in allen Ländern Schwerpunktstaatsanwaltschaften und zentrale Ermittlungsgruppen für Delikte in Pflege und Medizin eingerichtet werden, erklärte Vorstand Eugen Brysch.
“Serientätern ist in der ambulanten Pflege und Medizin kaum auf die Schliche zu kommen”, erklärte Brysch. Hier hätten Mörder leichtes Spiel, weil Krankheit und Tod zum Alltag gehörten. Selbst Künstliche Intelligenz (KI) versage, da es keine standardisierte Digitalisierung der Medikamentenabgabe und der Einsatzzeiten gebe.