Mit dem Ampel-Aus bleiben wichtige Vorhaben in der Bildung liegen. Das ist nicht nur schlecht für Kinder, sondern für uns alle. Was Bildungsminister Cem Özdemir jetzt angehen sollte.
Mit dem Ende der Ampel-Regierung bleiben nun auch wichtige Maßnahmen in der Bildungspolitik liegen und drohen in den Mühlen des Wahlkampfes zerrieben zu werden oder daran zu scheitern, dass es keinen Haushalt für 2025 gibt.
Ganz oben auf der To-do-Liste von Übergangsbildungsminister Cem Özdemir (ausgebildeter Erzieher und Sozialpädagoge) sollte die Fortführung des Digitalpaktes stehen. Kurz zur Erinnerung: Mit dem Digitalpakt stellten Bundesregierung und Länder seit 2019 insgesamt 6,5 Milliarden Euro bereit für die Digitalisierung der Schulen in Deutschland.
Bildung: Der Digitalpakt muss verlängert werden
Gut investiertes Geld und dringend nötig, denn die Schulen werden ihrer Aufgabe bisher nicht ausreichend gerecht, die Kinder und Jugendlichen zu mündigen Mediennutzern zu machen. Sie sind keineswegs “digital natives” nur weil sie mit Internet und Smartphone aufwachsen. Laut der ICILS-Studie (International Computer and Information Literacy Study) sind 40 Prozent der Achtklässler digitale Analphabeten, sprich sie können nur wischen und klicken. Und Kinder an Hauptschulen, die häufig aus sozial benachteiligten Familien stammen, sind dabei schlechter ausgestattet und haben eher nur rudimentäre digitale Kenntnisse im Vergleich zu Gleichaltrigen am Gymnasium. Auch alarmierend: Jeder dritte Achtklässler sagte, an seiner Schule gebe es kein WLAN. Es bleibt also noch viel zu tun.
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Der Digitalpakt ist im Mai dieses Jahres ausgelaufen. Nach dem Ampel-Aus ist nun völlig unklar, wie es weitergeht: Wer zahlt die Wartung der Geräte? Wie sollen Neuanschaffungen finanziert werden? Und wie geht es weiter mit der Fortbildung der Lehrer? Die laufenden Kosten tragen die Kommunen – von denen viele ein knappes Budget haben und nicht wissen, wie sie ihren Anteil zum Startchancen-Programm finanzieren sollen (anderes Thema, aber mindestens ebenso wichtig).
Eigentlich sollte der Digitalpakt 2.0 Anfang 2025 starten. Doch Bund und Länder konnten sich monatelang nicht auf eine Fortsetzung einigen. Und laut Recherchen der “Zeit” soll sich auch die ehemalige Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) bereits Ende September intern für den Bruch der Ampel ausgesprochen haben. Wie groß war dann wohl ihr Interesse an einer Einigung?
Die Hürde ist der Haushalt
Selbst wenn es Bildungsminister Özdemir (Grüne) gelänge, die Streitigkeiten beizulegen, wird der Digitalpakt wohl kaum pünktlich im Januar starten können – denn es gibt ja keinen verabschiedeten Haushalt. Es sieht auch nicht danach aus, als ob sich die Parteien jetzt noch an einen Tisch setzen würden und sich einigen, schließlich beginnt demnächst der Wahlkampf. Die FDP macht garantiert nicht mehr mit, und die Union hat schon angekündigt, dass sie nicht bereit ist, den Haushalt der gescheiterten Regierung durchzuwinken. Und dann gibt es ja noch die Bundesländer, die sich mit dem Bund einigen müssten, von dem sie Geld erwarten zur Finanzierung der Digitalisierung an den Schulen. Das erfordert viele Stunden zäher Verhandlungen.
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Und so bleibt es – mal wieder – bei der wohlmeinenden Ankündigung, Bildung sei ganz wichtig, es müsse mehr in die Köpfe und in die Schulen investiert werden. Und was ist das überhaupt für ein Signal, dass Özdemir neben dem Ministerposten für Ernährung und Landwirtschaft nun auch noch den für Bildung übernimmt? Nicht so wichtig, schaffen wir auch noch.
Den Preis für dieses politische Taktieren zahlen die Jungen und Mädchen, die jetzt zur Schule gehen (müssen). Sie brauchen jetzt eine gute Ausstattung und fähige Lehrkräfte (über die fehlenden vielen tausend Lehrerinnen und Lehrer sprechen wir hier nicht) – und nicht erst, wenn die Politiker gewählt sind, sich geeinigt haben und nach der Wahl in ein paar Monaten ihre Ministerposten angetreten haben.
Es wäre daher gut, wenn SPD, Grüne, FDP und CDU ausnahmsweise eine große Koalition für Bildung vereinbaren könnten und handeln würden. Einfach mal Hausaufgaben machen! Die Eltern könnten mehr Druck machen, laut Forderungen stellen, mit ihren Kindern auf die Straße gehen. Denn den Preis für schlechte Bildung zahlen am Ende wir alle.