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Interview zur Schnäppchenjagd: Mit Stift und Einkaufsliste: Wie Sie am Black Friday am besten online shoppen

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Spätestens zum Black Friday werden viele Kunden zu Schnäppchenjägern. Doch gerade Onlinehändler nutzen das schamlos aus. Welche Fallstricke gibt es? Anruf beim Verbraucherschutz.

Frau Steinbach, weshalb beschweren sich Kunden am häufigsten bei Ihnen?
Mit Abstand am häufigsten geht es um Produkte, die den Vorstellungen nicht entsprechen. Beispiel: Der Kunde kauft einen hochpreisigen Mantel. Zumindest sieht das Produkt auf den Fotos so aus – schöner Stoff, satte Farben. Was dann bei dem Kunden ankommt, hat damit aber überhaupt nichts zu tun. Manchmal stimmt die Farbe nicht, das Modell ist ein komplett anderes oder das Produkt sieht aus, als hätte es in der Herstellung 2,50 Euro gekostet.

Wie häufig kommt so etwas vor?
Täglich und diese Beschwerden betreffen meistens Waren aus dem asiatischen Raum.

Und dann?
… gibt es massive Probleme mit dem Widerrufsrecht. Kunden wissen häufig gar nicht, an wen sie sich wenden müssen und mit wem sie es zu tun haben, weil im Impressum keine Namen vermerkt sind, ein Serviceportal fehlt und es keine Kontaktadressen gibt. Manchmal sitzt der Shop-Betreiber zwar in der EU, aber die Ware kommt aus Fernost. Der Widerruf wird systematisch erschwert, sodass die Verbraucher am Ende auf der Ware sitzen bleiben. Wenn eine Retouradresse angegeben ist, kostet der Rückversand 40 bis 50 Euro, weil die Produkte beispielsweise nach Hongkong zurückgehen. Ob man danach sein Geld wiedersieht, ist auch fraglich.Andrea Steinbach Verbraucherschutz Rheinland-Pfalz

Wie hilfreich ist der juristische Weg?
Die Shops sitzen im EU-Ausland. Dort gelten unsere deutschen und EU-Rechte nicht. Das ist leider so. Gegen Fakeshops, von denen die Ware gar nicht erst ankommt, kann man natürlich Anzeige erstatten. Das wäre ein Betrugstatbestand. Aber selbst da sind die Strafverfolgungsbehörden selten erfolgreich.

Ist der Onlinehandel dreister und aggressiver geworden?
Auf jeden Fall! Es gibt zwar weniger Fakeshops, also Läden ohne Warenlager, die einfach nur von den Kunden kassieren, aber die versprochenen Produkte nie losschicken. Aber unser Hauptproblem heute sind Waren, die viel minderwertiger sind als online dargestellt. Die Shop-Betreiber werden immer gewiefter.STERN PAID Temu Online-Shop 20.35

Gibt es Phasen, in denen die Onlinehändler aggressiver auftreten? Zum Beispiel vor Weihnachten?
Immer, wenn es Rabattschlachten gibt. Das passiert meist rund um den Black Friday und ja, auch vor Weihnachten. Seit es die Plattform Temu gibt, hat sich der Trend noch einmal verschärft.

Gegen Temu läuft ein EU-Verfahren wegen manipulativer Kaufanreize, sogenannter Dark Patterns.
Dieser Trend hat in den letzten beiden Jahren, seit ich bei der Verbraucherzentrale arbeite, massiv zugenommen. Glücklicherweise gibt es rechtliche Vorgaben wie den Digital Service Act (DSA), die so solche manipulativen Designs verbieten.

Hilft das?
Beim Thema Dark Patterns ist das Gesetz sehr schwammig formuliert. Es gibt viele Schlupflöcher und die werden auch genutzt. Gerade Temu setzt auf Gewinnspiele und Countdowns, die anzeigen, wie viele Produkte noch erhältlich sind und wie lange das Angebot angeblich noch verfügbar ist.

Schreiben Sie sich auf, was Sie wirklich brauchen. Und überlegen Sie sich, ob Sie wirklich etwas brauchen oder nur wegen Black Friday einkaufen

Glauben Sie, dass das Verfahren gegen Temu erfolgreich sein wird?
Mit dem DSA und weiteren EU-Gesetzen und Verordnungen können die Behörden schon etwas ausrichten. Nur sind Dark Patterns ein neuer Trend, der erst einmal durch Rechtsprechungen und nationale Gesetze geprägt werden muss. Die Verbraucherzentrale hat aber guter Erfahrungen mit Temu gemacht. Der Bundesverband hat die Plattform wegen irreführender Rabatte und manipulativen Designs abgemahnt. Das Unternehmen hat sich dann mit einer Erklärung dazu verpflichtet, diese Verstöße zu unterlassen. Temu möchte natürlich seinen Markt hier in Europa ausbauen. Wenn es absichtlich gegen die europäischen Gesetze verstößt, gibt das natürlich kein gutes Bild ab.

Was würden Sie Konsumenten zur Black-Friday-Woche und bei Adventskäufen raten?
Wenn Druck ausgeübt wird, neigen viele Menschen zu überstürzten Reaktionen und Entscheidungen, die wir nicht mehr rational beeinflussen können. Am besten greifen Sie wieder zur guten alten Einkaufsliste. Schreiben Sie sich auf, was Sie wirklich brauchen. Und überlegen Sie sich, ob Sie wirklich etwas brauchen oder nur wegen Black Friday einkaufen.Dark Patterns Warentest warnt 15:27

Wenn Sie wissen, was Sie wollen, sollten Sie in Vergleichsportalen die Preise vergleichen, zum Beispiel Idealo oder Günstiger.de. Am besten nutzen Sie auch immer mehrere Vergleichsportale. Und behalten Sie die Preise vor der Black-Friday-Woche im Blick! Nicht, dass Sie denken, zum Black Friday ist alles günstig – das ist es nämlich nicht. Daneben kann eine eigene kurze Recherche sinnvoll sein. Schauen Sie ins Impressum oder geben Sie den Namen des Shops beim Fakeshop-Finder ein. Gibt es Bewertungen und Erfahrungsberichte in Foren? So finden Sie heraus, ob der Laden auch wirklich seriös ist.

Das klingt sehr aufwendig. Wie viele Menschen machen sich die Mühe?
Leider zu wenige, sonst gäbe es deutlich weniger Beschwerden über Fake- und Asia-Shops. Aber zwei Vergleichsplattformen sind schnell bedient. Oft kennen Konsumenten auch schon die günstigsten Shops. Die Verbraucherzentrale rät dazu, im stationären Handel einzukaufen. Aber der Black Friday wird im Onlinehandel vorangetrieben und deshalb schlagen die meisten Leute auch online zu.

Welches sind die dreistesten Anbieter, abgesehen von Temu?
Bei den Preisen ist neben Temu auch Shein ganz vorne mit dabei. Jacken für fünf oder Schuhe für sieben Euro – da kann man natürlich keine erstklassige Ware erwarten. Aber was die Verbraucherrechte, Lieferzeiten und Rücksendung angeht, bekommen wir zu Temu gar keine Beschwerden.

Es wird immer manipulative Designs geben, um Kunden zum Kauf zu drängen

Dafür sorgt die Plattform aber ganz schön häufig für Negativschlagzeilen.
Man kann die Gestaltung der Website wegen der vielen Dark Patterns kritisieren. Auch beim Datenschutz sollte man sich Gedanken machen. Und Temu ist auch nicht so nachhaltig, wie es sich präsentiert. Aber ansonsten bekommen wir keine Beschwerden.

Dann gibt es bestimmt andere Sorgenkinder?
Über den Onlineshop Veramodehaus.de beschweren sich viele Kunden wegen klassischer Probleme: Das Widerrufsrecht wird erschwert, im Impressum steht eine holländische Adresse. Möchte man die Ware zurücksenden, wird verlangt, dass man sie nach China schickt. Das Porto müssen die Kunden selbst tragen und übersteigt in der Regel den Warenwert.

Beschwerden gibt es häufig auch über den Händler Orthoback.de, der orthopädische und Barfußschuhe verkauft. Die Verbraucher beschweren sich über minderwertige Ware und einen kaum vorhandenen Kundenservice. Die Rücksendekosten nach China müssen selbst getragen werden.

Aber es gilt doch der Digital Service Act?
Der gilt nur für Plattformen, wo sich Händler registrieren und ihre Waren verkaufen können. Temu verkauft keine Ware, sondern stellt die Spielwiese zur Verfügung. Bei Vera Modehaus oder Orthoback handelt es sich aber um Onlineshops. Die Webadressen enden auf .de. Wer sich auf dem EU-Markt mit einer europäischen URL an die Kunden wendet, muss sich an die hiesigen Gesetze halten. Aber viele Händler tun es einfach nicht. Wir können solche Rechtsverstöße nicht ahnden, weil Orthoback beispielsweise seinen Sitz in Dubai hat.Shein Temu Südkorea 12.25

Wird sich das künftig ändern?
Das ist schwer zu sagen.

Beschweren sich Kunden häufiger über Plattformen oder Onlineshops?
Tatsächlich häufiger über die Shops.

Worauf müssen sich Onlinekäufer künftig einstellen?
Es wird immer manipulative Designs geben, um Kunden zum Kauf zu drängen. Viele Händler werben mittlerweile über die sozialen Medien wie Tiktok oder Instagram. Junge Menschen gehen damit häufig unbedarft um. Für 14- bis 18-Jährige oder auch junge Studenten sind die Klamotten eben günstig und dann wird direkt bestellt. Dazu kommt, dass das Online-Shoppingerlebnis häufiger mit KI gesteuert wird. Der Einkauf im Netz wird dadurch immer individueller auf die Kunden abgestimmt. All das muss man sich bewusst machen und sich nicht sofort unter Druck setzen lassen. Im besten Fall schläft man eine Nacht, bevor man sich endgültig dazu entscheidet, etwas online zu kaufen.

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