Trump, Ampel, Ukraine, Klima – überall Krise. Und jetzt? Wie geht es weiter? Bekenntnisse eines Menschen, der sich gerade Orientierung wünscht.
Zu den größeren Denkfehlern, die mir regelmäßig unterlaufen, gehört die Idee, dass früher alles besser war. War es nicht. Ich fühle mich heute nur viel verlorener als früher.
Früher – ich bin Jahrgang 1971 – hießen US-Präsidenten George Bush, Bill Clinton oder Barack Obama. Ich hielt sie alle für irgendwie vertrauenerweckend. Und hatte das Gefühl: Die USA stehen an unserer Seite. Die Nato beschützt uns, vor wem auch immer. Bald bekommen wir Donald Trump zurück. Er? An unserer Seite? Unwahrscheinlich. Was wird die Nato dann noch wert sein? Unsicher.
Überall Krise. Es gab eine Zeit, in der ich dachte, es läuft!
Früher gab es den Kalten Krieg. Dann fiel die Mauer. Der Warschauer Pakt löste sich in Luft auf. Die Welt schien sich zum Besseren zu wenden. Geschichte. Heute rückt der heiße Krieg immer näher, droht der Ukraine die Niederlage. Triumphiert Putin? Welches Land nimmt er sich dann vor? Unsicher. Früher hieß unser Bundeskanzler Helmut Schmidt. Meine Eltern sagten: Der hat die Lage im Griff. Dann kamen gefühlt 50 Jahre Helmut Kohl. Und 70 Jahre Angela Merkel. Und ich dachte wirklich: Es läuft!
STERN Deutsche Wirtschaft Trump 14.52
Gerade ist in Berlin eine Regierung zerbröselt, die mit hehren Zielen angetreten war. Zukunft. Reformen. Soziale Gerechtigkeit. Digitalisierung. Infrastruktur. Umweltschutz. Sie scheiterte nicht nur an persönlichen Querelen, sondern auch an der Komplexität der Herausforderungen. Wer regelt das jetzt? Helmut Schmidt ist tot.
Früher, so erinnere ich es zumindest, waren Sommer oft warm und Winter kalt. Wenn es regnete, dann regnete es. Aber es kamen nicht immer und immer wieder katastrophale Sturzfluten vom Himmel, und es wurde nicht immer heißer. Natürlich: Es gab Waldsterben und Tschernobyl, aber das schienen lokale Krisen zu sein. Überschaubare Probleme. Irgendwie zu bewältigen. Heute haben wir die Klimakrise, und sie ist als Herausforderung so unendlich viel größer als die Coronakrise, deren Auswirkungen wir noch immer spüren. Schon Corona hatte uns und unser Leben an die Belastungsgrenze gebracht. Längst verdrängt.
Verzögerungen im Betriebsablauf – das ganze Land steckt fest
Früher war die Bahn meist pünktlich, und im Intercity arbeitete im Zugrestaurant ein richtiger Koch. Die Sitze in den Abteilen waren großzügig und bequem, fast wie Sofas. Heute scheint unser ganzes Land festzustecken wegen Verzögerungen im Betriebsablauf.
Hatten wir früher nicht häufiger das Gefühl, die Dinge selbst in der Hand zu haben? Harte Arbeit führte zu Aufstieg. Es ging einem immer besser. Man konnte sogar in Großstädten einfach umziehen, wenn einem die alte Wohnung nicht mehr gefiel. Es gab ja andere und die Miete war bezahlbar. In Arztpraxen gab es Mediziner, die sich Zeit nahmen. Und Pflegeheime und Krankenhäuser waren noch nicht flächendeckend auf Rendite getrimmt. Am Telefon sprach man oft mit Menschen und seltener mit Sprachcomputern.
Heute habe ich das Gefühl, überall manipuliert zu werden. Von künstlicher Intelligenz, von Algorithmen, von irgendwem, der mir irgendwas unterjubeln, irgendwas verkaufen will.
Nein, es war früher nicht alles besser, ganz bestimmt nicht. Ich fühle mich heute nur verlorener. Denn früher schien es in meinem Leben gewisse Leitplanken zu geben. Orientierungsmarken. Vielleicht so etwas wie einen gesellschaftlichen Grundkonsens. Es gab Religion. Echte Streitgespräche. Es gab ergebnisoffene Diskussionen – statt Rechthaberei und beleidigter Aggressivität.
Früher kommt nicht wieder. Und jetzt?
Heute haben wir Elon Musk, der Donald Trump berät. Wir haben einen unangreifbaren Wladimir Putin. Europa driftet immer weiter nach rechts. Viktor Orbán, Marine Le Pen, Giorgia Meloni. Und in Deutschland die AfD, die nur Demagogie und Ausgrenzung draufhat, aber mit keiner einzigen tragfähigen Idee für eine menschenwürdige Zukunft dienen kann. Und die uns weismachen will, dass mit ihr alles wie früher werden kann. Eine Illusion. Früher kommt nicht wieder.
Wir leben heute. Und hoffentlich auch morgen. Was rettet uns? Familie. Freunde. Liebe. Der Rückzug ins Private? Vermutlich nicht. Wir bräuchten nämlich auch eine Idee, wie wir als Gesellschaft zukünftig leben wollen. Was wollen wir? Ausländer raus? Ich bitte Sie! Freibier für alle? Hilft wohl eher weniger. Und nein, einfach noch mehr konsumieren zählt als Idee leider auch nicht. Wohin soll ich mich wenden? Ich fühle mich orientierungslos, unsicher. Ich bin ins Schwimmen geraten. Wie so viele von uns. Ohne festen Grund unter den Füßen. Der Meeresspiegel steigt. Vielleicht ist das die Erkenntnis dieser Zeiten: Wir müssen Ausdauerschwimmen lernen. Unsicherheit aushalten. Und immer weiter machen. Langstrecke. Aber selbst dafür wäre es gut, ein lohnendes Ziel vor Augen zu haben.