16 Jahre mussten Fans auf “Songs Of A Lost World” von The Cure warten. Darauf klingen die Briten nun noch düsterer als jemals zuvor.
Endlich der angemessene Soundtrack zum Weltuntergang: The Cure bringen mit “Songs Of A Lost World” ihr erstes Album seit 16 Jahren heraus. Ironischerweise passt die Band um Gothfather Robert Smith (65) besser als je zuvor zum aktuellen Zeitgeist.
Das neue Album beginnt mit dem knapp siebenminütigen “Alone” und damit dem Lebensgefühl, von dem The Cure seit 48 Jahren berichten. In einem Interview zum neuen Album erzählte Smith, dass “jedes Lied, das wir singen, davon handelt, dass wir eigentlich alleine sind.”
Düsterer als jemals zuvor
In “Alone” schleppt Smith sich und seine Gitarre mit letzter Kraft durch die längste Single der Band und setzt den Ton für das wohl düsterste Album der Bandgeschichte. Und wer The Cure auch abseits ihrer Gute-Laune-Hits wie “Boys Don’t Cry” oder “Friday I’m In Love” kennt, weiß, dass das eine Drohung ist. Alben wie “Pornography” aus dem Jahr 1982 oder “Disintegration” von 1989 tanzten zwar auch schon mit dem Tod. Allerdings handelte es sich früher um Symbolik, um die Romantisierung einer Sterblichkeit, die noch sehr weit weg war.
Das ist jetzt anders. Der Abstand wird kleiner und “there is nothing you can do to change the end”, wie es in “A Fragile Thing” heißt. Robert Smith ist selbst 65 Jahre alt und hat in der langen Entstehungszeit dieses Albums viele Begegnungen mit dem Tod gehabt. So sind Smiths Eltern und sein älterer Bruder, der ihn musikalisch stark beeinflusst hatte, mittlerweile tot. Dem “NME” sagte er schon 2019: “Früher habe ich über Dinge geschrieben, von denen ich dachte, dass ich sie verstehe. Jetzt weiß ich, dass ich sie verstehe.” Seine Texte seien jetzt ehrlicher, “das ist wahrscheinlich der Grund, warum das Album selbst etwas düsterer ist.”
An anderer Stelle beschreibt Smith das Album als “gnadenlos”, was es weitaus besser trifft als “etwas düsterer”. Lichtblicke, wie sie noch auf “Disintegration” eingebaut wurden, sucht man im Dunkel dieses Endzeitwerks vergeblich. Im besten Fall klingt dieses Album nach vertonter Melancholie, wie in “All I Ever Am”, das sich stellenweise sogar zum Mitsingen eignet. Schlimmstenfalls aber tun sich Höllen auf wie in “Warsong”, die man ohne begleitende Psychotherapie nicht betreten sollte. Die Streicher und Glöckchen im verzweifelten “And Nothing Is Forever” spielen kurzzeitig Hoffnung vor. In “Drone NoDrone” ist das pochende Klavier aus “From The Edge Of The Deep Green Sea” wieder da, kämpft diesmal aber mit einer verzerrten Gitarre, die die Oberhand behält.
Ein Song für Smiths verstorbenen Bruder
Über den Tod seines Bruders hat Smith einen eigenen Song geschrieben, den Fans von den Live-Auftritten der Band kennen könnten. “I Can Never Say Goodbye” heißt er und hat nicht nur Smith selbst schon auf der Bühne zum Weinen gebracht: “Shadows growing closer now/ There is nowhere left to hide / I can’t wake this dreamless sleep / However hard I try”. Den Todesstoß gibt schließlich “Endsong”, in dem sich minutenlang eine Schallwand aus heulenden Gitarren, Synthesizer-Flächen und einem in die Unterwelt stolpernden Schlagzeug verdichtet. Nach sechs Minuten Fiebertraum setzt Smiths Gesang ein und fragt mit ewig junger Stimme, wie er so alt werden konnte. Es folgt der Abschied von jeglichen Träumen und Hoffnungen: “It’s all gone, it’s all gone / I will lose myself in time / It won’t be long / It’s all gone”.
Es ist fast schon fahrlässig, dieses Album im November herauszubringen. Wer stark genug für die Dunkelheit ist, kann Trost in der Verbindung zu Smiths Schmerz spüren. Und ist es dann eben doch nicht: allein.