Home » SPD-Wahlkreis in Hannover: Bundestagskandidatur steht: Die Kampfansage des Boris Pistorius

SPD-Wahlkreis in Hannover: Bundestagskandidatur steht: Die Kampfansage des Boris Pistorius

Von

Boris Pistorius will nach stern-Informationen in Hannover erstmals für den Bundestag kandidieren. Das klare Signal: Mit ihm ist in der SPD noch zu rechnen.

Boris Pistorius hat sich entschieden: Der populäre Verteidigungsminister will nach stern-Informationen erstmals für den Bundestag kandidieren – und zwar im Wahlkreis Stadt Hannover II. Das bestätigten SPD-Parteikreise dem stern.

Pistorius’ Entscheidung fiel demnach am vergangenen Wochenende. Sie fällt in eine sensible Phase für seine SPD, platzt mitten in die aufkommende Debatte um Olaf Scholz‘ Eignung als Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl im Herbst 2025. Die Lage der SPD ist seit Monaten schlecht, der Kanzler war zuletzt in den eigenen Reihen auch öffentlich unter Druck geraten, endlich mehr zu kämpfen.

Pistorius, 64, wird immer wieder als potenzieller Ersatzmann genannt, wenn es um die Frage geht, wer die Partei in den nächsten Wahlkampf führt. Seine Kandidatur ist ein Zeichen dafür, dass mit ihm in der SPD zu rechnen ist – egal, wie es mit der Ampel weitergeht.

Boris Pistorius lotete lange seine Chancen aus   

Mit Spannung hatte auch die SPD-Spitze in Berlin darauf geblickt, wie sich der seit Monaten beliebteste Politiker des Landes entscheidet. Der Jurist, bislang ohne Bundestagsmandat, hatte monatelang abgewogen, ob er kandidieren soll oder nicht und dabei in mehreren Wahlkreisen seine Chancen ausgelotet. Pistorius sondierte in seiner Heimatstadt Osnabrück, auch in Hildesheim und Celle soll es angeblich Gespräche über eine Pistorius-Kandidatur gegeben haben. 

HEFT_Scholz-Ampel Aufgeben 9.20

Hannover kennt Pistorius aus seiner Zeit als Landesinnenminister gut. Sein Entschluss, im Süden der Stadt zu kandidieren, dürfte auch mit den guten Chancen zu tun haben, dort gewählt zu werden, ist der Wahlkreis doch seit mehr als 70 Jahren fest in sozialdemokratischer Hand. Pikant ist die Bewerbung nicht zuletzt deshalb, weil in Hannover auch Gerhard Schröder zu Hause ist. Pistorius vertritt in der Ukraine-Politik einen dezidiert anderen Kurs als der frühere Bundeskanzler.

Pistorius’ offizielle Nominierung als Bundestagskandidat erfolgt nach stern-Informationen erst am 21. März 2025. Seine Bewerbung dürfte aber schon jetzt in der gesamten Partei als eine Art Kampfansage diskutiert werden, jedenfalls hat sie Signalwirkung, was die Aufstellung der Sozialdemokraten auch nach der Bundestagswahl angeht. Pistorius, das zeigt seine Entscheidung, will weiter mitmischen, auch in der Bundestagsfraktion.

Dort herrscht eine gewisse Panik angesichts der aktuellen Lage der SPD. Verharrt die Partei bei ihren aktuellen Umfragewerten, würde sich die Bundestagsfraktion mit derzeit 207 Abgeordneten bei der nächsten Wahl wohl mehr oder weniger halbieren. Das Vertrauen in Kanzler Scholz, die SPD aus dem Abwärtstrend zu führen, sinkt in seiner Partei stetig. Seine persönlichen Umfragewerte waren zuletzt sogar noch schlechter als die von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, dem selbst in den eigenen Reihen ein Sympathie-Problem nachgesagt wird, vor allem bei Frauen und jüngeren Menschen.

“Stadt Hannover II”: Eine SPD-Erfolgsgeschichte      

Die Nervosität vor der nächsten Bundestagswahl ist bei den Sozialdemokraten auch deswegen so groß, weil mit dem neuen Wahlrecht selbst Wahlkreissieger nicht automatisch ins Parlament einziehen könnten. Gewinnt eine Partei mehr Wahlkreise und damit mehr Mandate, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen, könnten auch Wahlkreissieger mit schwächeren Ergebnissen im Extremfall den Einzug ins Parlament verpassen.

Das dürfte in den Bundesländern den Kampf um die begehrten Listenplätze nochmal verschärfen. Eine Top-Position auf der Landesliste minimiert das Risiko, nicht ins Parlament einzuziehen, sollte man etwa als Direktkandidat gegen einen anderen Kandidaten unterliegen.

In Niedersachsen konkurrierten schon bisher viele namhafte Spitzengenossen um gute Platzierungen auf der Landesliste, um sich abzusichern. Die Platzierung ist auch Ausweis der eigenen Autorität innerhalb des Landesverbands. Spannend dürfte nun die Frage werden, wo Pistorius landet. Bei der Bundestagswahl 2021 führte Hubertus Heil (Arbeitsminister) die Landesliste in Niedersachsen an, dahinter folgten ebenso einflussreiche Genossen wie Matthias Miersch (Fraktionsvize, Platz 3) und Lars Klingbeil (Co-Parteichef, Platz 5). Alle drei wollen nochmal antreten, sie müssen sich nun mit Pistorius arrangieren.

STERN PAID 30_24 Pistorius 19.59

Das Direktmandat in dem Wahlkreis, für den der Verteidigungsminister sich jetzt entschieden hat, gewann bei der letzten Bundestagswahl die SPD-Politikerin Yasmin Fahimi. Sie ist mittlerweile Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Fahimi legte deshalb ihr Mandat schon im Mai 2022 nieder und kandidiert nicht wieder. Für Fahimi rückte Daniela De Ridder (Wahlkreis Mittelems) über die SPD-Landesliste nach. Der Wahlkreis selbst wird derzeit von jeweils einem Abgeordneten der FDP (Knut Gerschau) und der Grünen (Sven-Christian Kindler) im Bundestag vertreten, die beide über die Landeslisten ihrer Parteien ins Parlament einzogen. Eine Nachfolge in der SPD für die Kandidatur im Wahlkreis war bislang vakant gewesen.

Pistorius dürfte starkes Erststimmenergebnis bekommen 

Auch Pistorius dürfte auf einen Einzug als Direktkandidat setzen. Ein starkes Ergebnis würde auch den Anspruch auf eine Führungsfunktion stärken, in welcher Rolle auch immer. 

In Hannover II tritt Pistorius ein großes Erbe an. Der Wahlkreis wurde seit 1949 ausnahmslos von Direktkandidaten der SPD gewonnen – zum Beispiel von Kurt Schumacher, einer Parteilegende. Schumacher richtete die West-SPD nach dem Krieg wieder auf, war Partei- und Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten und als Oppositionsführer einer der größten Gegenspieler von CDU-Kanzler Konrad Adenauer. 

Friedrich Merz leitete sein Comeback in die Politik übrigens auch mit der Kandidatur für den Bundestag ein. Danach wurde er erst Partei-, dann Fraktionschef. Nun will er Olaf Scholz ablösen.

VERWANDTE BEITRÄGE