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Nonverbale Signale: Wie der Blickkontakt unsere Kommunikation prägt

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Blickkontakt prägt unser Zusammenleben in vielen Bereichen – und er verrät weitaus mehr, als uns manchmal lieb ist. 

Wenn sich die Mitglieder des südafrikanischen Stammes Zulu begegnen, dann begrüßen sie sich gerne mit einem warmherzigen “Sawubona”. Übersetzt bedeutet es so viel wie “Ich sehe dich“. Und wenn man genau darüber nachdenkt, trifft diese Begrüßungsformel den Punkt.  Was geschieht überall auf der Welt , wenn zwei Menschen aufeinandertreffen: Sie sehen sich. Und zwar blicken sie meistens als erstes in die Augen.

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Der Blickkontakt ist eine der aussagekräftigsten und entscheidendsten Gesten in unserer nonverbalen Kommunikation. Und ob wir wollen oder nicht – unsere Augen verraten im Kontakt mit anderen so einiges darüber, wie wir zu unserem Gegenüber stehen. Aus gutem Grund konzentrieren wir uns beim ersten Kontakt mit einem anderen Menschen unterbewusst vor allem auf die Augen und das gesamte Gesicht.

Warum wir blinzeln und weggucken

Blicke dienen uns also zunächst als Orientierung, wenn es darum geht, Menschen einzuschätzen und ihr Verhalten zu deuten. Während wir uns mit anderen Leuten unterhalten, werten wir gleichzeitig automatisch ständig die Augenaktivitäten aus. So stimmen zwei Gesprächspartner beispielsweise unbewusst über die Blicke ab, wer gerade spricht. Vielleicht kennen Sie das ja: Wer einen Punkt macht, guckt sein Gegenüber an und sagt so nonverbal: “Du darfst”.

Allerdings ist bei weitem nicht jedes Augenspiel so einfach zu deuten, wie der auffordernde Blick während eines Gesprächs. Es gibt Signale, die häufig für Verwirrung sorgen. Wenn der Zuhörer beispielsweise vermehrt blinzelt, ist das ein Zeichen für Langeweile, wenn er sein Gegenüber jedoch fixiert, will er den Redner womöglich verunsichern. Weicht ein Mensch den eigenen Blicken hingegen ständig aus, ist das ein Zeichen für Desinteresse oder Unsicherheit.

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Ja, Blicke können uns eine Menge verraten. Insbesondere unsere Pupillen sind in diesem Zusammenhang ehrliche Boten. So konnte der Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibelsfeldt nachweisen, dass sich unsere Pupillen automatisch weiten und unsere Augenlider sich heben, wenn wir jemanden sympathisch finden. Allerdings passiert das auch, wenn uns das Gesprächsthema interessiert, wenn wir uns sexuell zu jemandem hingezogen fühlen – und wenn wir Angst haben.

Die perfekte Dauer für den Blickkontakt

Wie unsere Pupillen auf andere Menschen reagieren, das haben wir nicht in der Hand. Aber wir können steuern, wie lange wir unserem Gegenüber in die Augen schauen. Das spielt laut dem britischen Forscher Alan Johnston vom University College in London eine wichtige Rolle für gelingende Kommunikation. In einer Studie hat er deshalb nach der perfekten Blick-Dauer für den Erstkontakt gesucht. Das Ergebnis: eine bis drei Sekunden am Stück sind optimal. Alles darüber hinaus wirkt potenziell bedrohlich, ein flüchtiger Blick hingegen desinteressiert.

Töten können Blicke zwar nicht unbedingt, aber sie haben eine große Wirkung auf uns. Wenn uns jemand anstarrt, dann setzt laut Wissenschaftlern der Universität Freiburg ein psychologischer Widerstand ein, der dazu führen kann, dass wir unserem Gesprächspartner gegenüber eine Abwehrhaltung einnehmen. Das trifft jedenfalls auf Menschen zu, die sich emotional nicht nahestehen.

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Seinem Partner, Freunden und Familienmitgliedern hingegen darf man ruhig öfter intensiv in die Augen schauen. Denn: Wie lange wir unser Gegenüber anschauen, sagt bereits einiges darüber aus, wie sehr wir ihn mögen. Sind wir verliebt, schauen wir der auserwählten Person auch gerne mal länger als drei Sekunden mit erweiterten Pupillen und gehobenen Augenlidern in die Augen.

Was Blicke im Gehirn auslösen

Gut möglich, dass sich dieser intensive Blickkontakt dann wiederum positiv auf die Gefühle auswirkt. Der Neurologe Knut Kampe vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf hat bereits vor 20 Jahren herausgefunden, dass unser Glückszentrum anspringt, wenn uns ein Mensch in die Augen sieht, den wir mögen – oder einfach nur attraktiv finden.

Ein anderer Mensch kann also allein mit seinem Blick direkt in unser Glücksempfinden eingreifen. Aber warum ist der Augenkontakt so wichtig für uns? Wie so viele nonverbale Kommunikationsmuster ist auch das Suchen nach dem Blickkontakt bereits angeboren. Schon Babys suchen den Blickkontakt zur Mutter, um mit ihr zu kommunizieren und eine Verbindung aufzubauen, lange bevor sie ihr erstes Wort sprechen können. Mehrere Studien konnten zudem zeigen, dass es in unserem Gehirn sogar ein eigenes Schaltzentrum gibt, das ausschließlich für die Auswertung von Blickkontakten zuständig ist. Es findet also deutlich mehr Kommunikation über unsere Augen statt, als uns bewusst ist.

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Kann man sich durch Blickkontakt verlieben?

Unsere Blicke verraten, wen wir mögen und wann wir uns langweilen, aber kann Blickkontakt auch unmittelbar dazu führen, dass wir uns in einen anderen Menschen verlieben? Die Frage hat sich  der US-Psychologie-Professor Arthur Aron gestellt. Also hat er in einer Versuchsreihe jeweils zwei sich fremde Menschen zusammengesetzt, ließ sie 36 Fragen beantworten und sich anschließend vier Minuten lang schweigend in die Augen schauen. Und: Bei einem der Paare läuteten einige Jahre später tatsächlich die Hochzeitsglocken.

Unabhängig davon, wie aussagekräftig das Ergebnis von Arons Studie nun sein mag, zeigt es doch eines: Blickkontakt kann dazu führen, dass wir eine tiefere Verbindung zu unserem Gegenüber aufbauen. Das ist es auch, worum es den Mitgliedern des Zulu-Stammes mit ihrer Begrüßungsformel geht. Sie drücken damit aus, dass sie ihr Gegenüber mit all seinen Facetten akzeptieren und schätzen. Die übliche Erwiderung lautet übrigens: “Shiboka“, was bei uns soviel bedeutet, wie: “Dann existiere ich für dich“.

Quelle: Studie zur Wirkung von Blickkontakt, Studie zu Blickkontakt von Neugeborenen

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