An der renommierten Hotelschule Vatel in Paris soll es zu Mobbing und sexuellen Übergriffen gekommen sein. Der Abschlussjahrgang fordert nun die Absetzung von Lehrern wegen ihres Fehlverhaltens.
Die hohe Schule der Gastlichkeit und den höflichen Umgang mit Gästen sollten sie lernen – dabei stießen sie auf Lehrer, denen sie heute vorwerfen, sie beleidigt, körperlich verletzt oder sexuell belästigt zu haben. “Ein Chefkoch hat mir mit einem heißen Kochtopf die Hand verbrannt, (…) und ich bin bei weitem nicht die einzige, der das passiert ist”, sagte Axelle (alle Name sind auf Wunsch der Studierenden geändert), Bachelor-Studentin der renommierten Pariser Hotelschule Vatel.
Seit Ende März streikt – mit einer kurzen Unterbrechung – der gesamte Abschlussjahrgang der Hotelschule. Das angeschlossene Schulrestaurant, das sonst für Öffentlichkeit zugänglich ist, nimmt vorerst keine Reservierungen mehr an. Die etwa 60 Studierenden verlangen, dass mehrere Lehrer, mit denen manche schlechte Erfahrungen gemacht haben, die Hotelschule verlassen. STERN PAID 18_23 Interview Schule „Die Schüler sehen sexuellen Missbrauch, unfassbare Gewalt und Morde“ 6.23
Paris: Studierende fordern Entlassung von Lehrkräften
Grund dafür seien “die sexuellen Übergriffe und Mobbings, die in der Schulküche und im Restaurant an der Tagesordnung waren”, heißt es in einem Schreiben an Schuldirektor Dov Sebban. Nur durch die Entlassung der betroffenen Lehrer könne sichergestellt werden, dass die Kochkurse “nicht eine Quelle der Angst für die meisten Studierenden bleiben”.
Der Pâtissier-Chef habe Schülerinnen Obszönitäten zugeflüstert, sie betatscht oder ihnen mit dem Teigschaber Klapse auf den Po gegeben, berichten Betroffene, die anonym bleiben wollen. “Wir wurden ständig angeschrien. (…) Morgens habe ich geheult, und abends habe ich gekotzt, so sehr hat mich das fertig gemacht”, sagt Erika. Simon erzählt von homofeindlichen Bemerkungen und einem Chef, der ihn vor Wut mit Küchenutensilien beworfen habe. “Für den Preis, den wir hier zahlen, ist es alles andere als die Ausbildung, die wir uns erhofft haben”, sagt er. Guide Michelin 2023 – FS
Kostspielige Ausbildung
Die Ausbildung an der Hotelschule kostet etwa 11400 Euro im Jahr. Die vor 42 Jahren gegründete Einrichtung präsentiert sich als Marktführer bei der Ausbildung für Hotelmanagement und hat weltweit 52 Schulen. Der Umsatz liegt bei 90 Millionen Euro.
Mehrere Studierende berichten, dass sie erst bei ihren Praktika bemerkt hätten, dass es auch anders zugehen kann. “Grundsätzlich verbessern sich die Arbeitsbedingungen im Gastgewerbe, aber diese Schule hängt noch stark hinterher”, sagt Axelle. Bereits 2020 hatten mehr als 140 Studierende in einem offenen Brief auf Missmanagement und fehlenden Respekt des Lehrpersonals hingewiesen. Eine Antwort darauf hatten sie nicht erhalten.
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Bisher keine Strafanzeige
Die Schulleitung betonte zunächst, dass keine Strafanzeige vorliege. Anfang April räumte sie ein, dass es zu “inakzeptablen” Vorfällen gekommen sei. Externe Berater sollten bis zum September ein “Warnsystem” und eine “psychologische Betreuung” organisieren, schlug Schuldirektor Sebban vor.
“Die Lösungen, die Sie vorschlagen (…) erfüllen unsere Erwartungen nur zum Teil”, antworteten die Studierenden, mit aller Höflichkeit, die von ihnen in ihren künftigen Berufen erwartet wird. Doch in der Sache bleiben sie hart: “Wir erwarten die Entlassung der betroffenen Personen.” Unterdessen hat eine Schweizer Hotelschule, die nicht genannt werden möchte, den Studierenden von Vatel angeboten, sie zu übernehmen, damit sie ihre Ausbildung in Ruhe fortsetzen können.