Das 109. Stadtderby war ein Spiel für Club-Chroniken des Hamburger SV und des FC St. Pauli. Für den HSV kann der 4:3-Sieg in dem Fußball-Spektakel ein ganz entscheidender Schritt zum Aufstieg sein.
Einen Tag nach der Explosion der Emotionen war im Volkspark wieder Ruhe eingekehrt. Nach dem Sieg im 109. Stadtduell gegen den FC St. Pauli standen für die Spieler des Hamburger SV am Vormittag Auslaufen und Spielersatztraining auf dem Trainingsplatz neben dem Stadion an.
Einige Fans applaudierten den Derby-Siegern, als diese zur Laufrunde aufbrachen. Business as usual? Nicht ganz: die Stoßwellen des Glücksausbruchs vom Abend zuvor waren noch immer zu spüren.
Das 4:3-Spektakel gegen den FC St. Pauli war für den HSV mehr als nur ein Sieg gegen Nachbarn, mehr als nur drei Punkte. Es war ein Sieg gegen mögliche Selbstzweifel, gegen das Gerede von einer der üblichen Frühlingskrisen, gegen Kritik. Es war auch ein Sieg, der nebenbei alle zarten Aufstiegshoffnungen des ungeliebten Rivalen jäh beendete. Aber es war vor allem ein Sieg, der für den HSV zum entscheidenden Booster im Aufstiegsrennen der 2. Fußball-Bundesliga werden kann.
Gänsehaut-Atmosphäre im Volksparkstadion
“Ich denke, dass wir mit einem guten Gefühl in die nächsten Wochen gehen und mit Selbstvertrauen die nächsten Spiele bestreiten”, sagte Jonas David. Der sonst oft gescholtene Verteidiger hatte mit seinem Treffer zum 1:1 kurz vor der Pause die Wende in der Partie eingeleitet und die Grundlage zur späteren HSV-Party gelegt. Kapitän Sebastian Schonlau kündigte an: “Wir wollen diesen Schwung jetzt mitnehmen, haben aber in den letzten fünf Spielen auch noch richtig etwas zu tun.”
Die nahe Zukunft war an diesem Freitag weit entfernt. Was für Spieler, Betreuer und Fans des HSV zählte, waren der Moment, das Hier und Jetzt. 56.400 begeisterte und begeisternde Zuschauer im ausverkauften Volksparkstadion – darunter 6000 Anhänger des FC St. Pauli -, dazu frühlingshaftes Wetter bildeten den stimmungsvollen Rahmen und sorgten für eine Gänsehaut-Atmosphäre.
Die Dramatik des Spiels, die meisten Tore in einem Stadtderby seit Dezember 2001 und die Eruption der Gefühle nach dem Abpfiff auf dem Spielfeld und auf den Rängen sorgten für einen denkwürdigen Abend. “Ich bin sehr, sehr stolz auf meine Mannschaft und die Zuschauer. Die waren grandios”, sagte Trainer Tim Walter. “Es war der schönste Sieg, auf jeden Fall.”
St. Pauli raus aus dem Aufstiegskampf
Zu dem Fußball-Spektakel hatte nicht nur seine Mannschaft, sondern auch der FC St. Pauli beigetragen. Vor allem in der ersten Halbzeit war das Team von Trainer Fabian Hürzeler phasenweise besser und dominierte den HSV. “Eigentlich müssen wir das Spiel gewinnen”, meinte der 30-Jährige.
Jetzt heißt es für ihn und seine Spieler, die Niederlage aufzuarbeiten. “Ich glaube, das ist schon ein Schlag für die Jungs”, sagte Hürzeler. Das Aufstiegsrennen ist für den FC St. Pauli vorbei. Der Rückstand zum HSV beträgt bei noch fünf ausstehenden Spielen neun Punkte. “Jetzt heißt es Reaktion zeigen.”
Der HSV ist hingegen im Aufstiegskampf noch mittendrin. Trainer Walter durfte sich wieder einmal in seinem unerschütterlichen Glauben an den Aufstieg bestätigt sehen. Zumindest bis nach dem Spiel des Konkurrenten 1. FC Heidenheim gegen Holstein Kiel am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) rückte seine Mannschaft in der Tabelle auf den zweiten und damit auf einen direkten Aufstiegsplatz. An diesem Abend im Volkspark spielten für den 47-jährigen Walter Tabellenkonstellationen und Aufstiegschancen keine Rolle: “Heute genießen wir erst einmal den Derby-Sieg.”