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M. Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier: Bei dir piept’s wohl: Wie Gerätschaften unseren Alltag bestimmen

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Am Kühlschrank, am Thermomix, im Auto: Bei unserem Kolumnisten piept es. Er hat genug vom ewigen Alarm der Geräte.

Die gute Nachricht zuerst: Ich höre keine Stimmen, wenn ich allein bin. Das ist für jemanden wie mich keine Selbstverständlichkeit. Was ich wiederum verstärkt vernehme, ist ein massives Ansteigen von Gepiepe, wo immer ich mich befinde. Stehe ich in der Küche, um die komplette Bandbreite der immer gleichen zweieinhalb Gerichte vor meiner Frau aufzufächern, kommt nach wenigen Sekunden von links ein rhythmischer Warnton. Der Kühlschrank sorgt sich, ich könnte seine Tür womöglich nie mehr schließen und das Mett könnte schlagartig umkippen. Dass ich, um meine geschmeidigen Bewegungen besser ausführen zu können, einen offenen Stauraum brauche, ist dem nervösen Frostkasten gänzlich gleich. Man wird genötigt, das zu tun, was die Elektronik verlangt. Ansonsten droht der Nervenzusammenbruch.kurzbio beisenherz

Am schlimmsten ist es im Auto. Wie viele Sprachnachrichten wurden nahezu unabhörbar, weil der Verfasser sie beim Einparken aufgenommen hatte und das infernalische Getute die kostbaren Botschaften überlagerte? Seitdem Fahrzeuge mit Assistenzsystemen ausgestattet sind, von denen jeder Mars-Rover nur träumen kann, ist man hinter dem Steuer einer Kakofonie ausgesetzt, als wäre man Spielhallenbetreiber in Lloret de Mar.

Kakofonie hinterm Steuer

Die Lässigkeit eines Steve McQueen kann man in modernen Fahrzeugen allein schon deshalb nicht mehr erlangen, weil das hysterische Pfeifen beim Vor- und Zurücksetzen eine Art akustische Nahtoderfahrung suggeriert, die nichts mit dem recht unspektakulären Einparken vor der Bäckerei zu tun hat. Da wird in den unterschiedlichsten Tonlagen gewarnt, bis man selbst dazu neigt, dem Auto mit Claude-Oliver-Rudolph-Timbre ein lässiges “Ey, jetzt bleib doch mal ganz ruhig” zuzuraunen.

Nicht, dass Kraftwagen früher keine recht eindeutigen akustischen Signale ausgesendet hätten. Ein gewaltiges Rumsen deutete stets unsubtil darauf hin, dass man die Dimensionen des eigenen Vehikels unterschätzt hatte. Die unangenehmen Töne, die aus der Kabine drangen, musste man ebenfalls selbst produzieren. Sie galten nicht dem Führer des Fahrzeugs, sondern anderen Verkehrsteilnehmern, die sich laut Spontananalyse des Fahrers dumm bis sackdumm angestellt haben und folgerichtig “was auf die Fresse verdient” hatten.PAID Smarthome Tobi 14.16

Möglicherweise ist das Diktat der Gerätschaften Ausweis einer neuen Kultur der besorgten Bevormundung. Ein Sound, der uns nur Gutes will, der uns mit seinen pausenlosen Zurechtweisungen in korrekte Bahnen lenken will. Im Politjargon spräche man von einer Politik mit Lenkungswirkung. Da würde ein Liberaler vermutlich sagen: “Freiheit ist auch die Freiheit, mit dem Schädel vorneweg durch die Windschutzscheibe zu fliegen.”

Alles schrillt und alarmiert

Überfordert taumeln wir durch einen Alltag, in dem es tutet und piept. Das Auto, die Mikrowelle, die Heizdecke, der Toaster – alles schrillt und alarmiert. Es soll schon Leute gegeben haben, die friedlich in ihrem Wohnzimmersessel eingeschlafen und verbrannt sind, weil sie den Rauchmelder mit einem übereifrigen Thermomix verwechselt und nicht mehr die Nerven hatten, auf diesen Sound jetzt auch noch näher einzugehen.

Und unser Kühlschrank? Der zündet bei Nichtbeachtung seiner Warntöne die nächste Stufe und fängt an, heftig zu blinken. Wie das Strobolicht in einer holländischen Großraumdisco. Gleich spielt er bestimmt noch Scooter.

Sollte ich mich also demnächst nicht melden, hat der besorgte Fridge seinem Besitzer einen epileptischen Anfall verschafft. Dabei hat er es doch nur gut gemeint.

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