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“Multitudes”: Feist wurde Mutter und verlor ihren Vater. Auf ihrem neuen Album ist traurig sein explizit erlaubt

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Feist hat ein neues Album veröffentlicht. Die kanadische Sängerin stellt sich Trauer und Verlust und ihrem neuen Leben – mit einer Tochter, aber ohne ihren eigenen Vater. “Multitudes” lädt ein, die eigenen Sorgen nicht einfach wegzudrücken. 

Als Zerrbild zeigt sich Feist auf dem Cover ihres neuen Albums “Multitudes”. Die Musikerin ist mehrfach nebeneinander abgebildet, nur einmal ist ihr Gesicht einigermaßen scharf zu erkennen. Sie schaut den Betrachter unter ihrem Pony geradezu herausfordernd an. Dieses Album ist nur etwas für Mutige. Weil es ans Eingemachte geht. Darum, sich mit den eigenen Problemen auseinanderzusetzen. “Everybody’s got their shit / But who’s got the guts to sit with it?”, singt Feist in “Hiding Out in the Open” zu ruhiger Gitarrenmusik. Wir alle haben mit unserem Mist zu kämpfen, aber wer stellt sich ihm schon? Wer bleibt sitzen, bleibt dran?

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Auch Feists Stimme ist in den Liedern immer wieder leicht verzerrt zu hören, einige begleitet ein Hintergrundrauschen. Zeilen wiederholen sich, Wörter hallen nach. So wie Erinnerungen, Gespräche und Gefühle nachhallen. Der Klang dieses Albums bleibt sanft, was auch an Leslie Feists unverkennbaren, schönen Stimme liegt, und doch ist er rauer, unvermittelter als in früheren Jahren. Weniger leicht auch.

“In Lightning” heißt der erste Song, er ist der lauteste und einer der elektronischeren. “And in lightning I can see / Just as well in the dark”. In Blitzen kann ich genauso gut sehen wie im Dunkeln. Als wäre dieses Album selbst ein Blitz, das Licht auf Stellen wirft, die weh tun und die man manchmal lieber im Verborgenen ließe. Leslie Feist sieht hin. 

Feist wurde Mutter und verlor kurz darauf ihren Vater 

Fünf Jahre ist es her, dass Feist ihr letztes Album veröffentlichte. Viel ist in ihrem Leben geschehen seit dem. Sie adoptierte eine Tochter. Kurz darauf starb ihr Vater, der Maler Harold Feist, dem sie sehr nahestand.

“Ich bin mir zu dieser Zeit durchs Muttersein geradezu selbst abhanden­gekommen, war beinahe verbrannt. Und dann war es, als werde ich noch weiter ausgelöscht von der Trauer um meinen Vater”, sagt die Sängerin im Gespräch mit dem Schweizer Online-Magazin “Republik”. Das neue Album sei eine Mischung geworden aus dem, was in ihrem Leben passiert sei, und der einzigen Art und Weise, wie sie das alles überhaupt habe ertragen können – schreibend. Das höre sich vielleicht ein bisschen dramatisch an, aber es sei auch ziemlich dramatisch gewesen. 

Feist ist heute 47 und lebt in Toronto. Sie ist die Singer-Songwriterin geblieben, für die ihre Fans sie lieben. Viele von ihnen dürften mit ihr älter und dadurch auch um ein paar Sorgen reifer geworden sein. Wer traurig ist, dem begegnet die Sängerin mit Empathie. “Songs for Sad Friends” heißt der letzte Song des Albums. 

Feist, “Multitudes”, Polydor
© Universal Music / dpa

Er klingt ein wenig wie ein Wiegenlied und wer ihn hört, kann sich gut vorstellen, wie Feist  ihr Kind in den Schlaf singt und wie viel Geborgenheit in dieser Stimme stecken muss. Der Liedtext ist keineswegs die Aufforderung, nicht traurig zu sein, wie der Titel zunächst vermuten lässt, sondern das genaue Gegenteil: 

“Don’t be sad my friend / Is the last thing I’d say / If you’re sad my friend / Why would I take that away?”, singt Feist über ihre Gitarre. Sei nicht traurig mein Freund, ist das Letzte, das ich sagen würde. Wenn du traurig bist, mein Freund, warum würde ich das wegnehmen? 

Quellen: Republik

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